Der 30-jährige Daniil Trifonov sorgte für Jubel im Wiener Konzerthaus.

Foto: Dario Acosta

Wien – Perlende Tongirlanden, zarte Kantilenen, filigrane Triller – typisch impressionistisch, könnte man meinen. Karol Szymanowskis 3. Klaviersonate entstand 1917 und war dessen letztes großes Werk für Soloklavier. Gespielt wird die Sonate kaum, was auch daran liegen mag, dass sie – kurz gesagt – sauschwer ist. Kein Problem für Daniil Trifonov, dem technisch keinerlei Grenzen gesetzt sind.

Da kommt Szymanowski mit seinen fingerbrecherischen Passagen, dem Farbenreichtum sowie dem abrupten Wechsel zwischen hell und dunkel, zwischen fortissimo und pianissimo gerade recht.

Trifonovs Virtuosität ist atemberaubend, jedoch erfordern Farben und Klangabstufungen mehr als nur mirakulöse Fingerfertigkeit. Das Können ist wohldosiert und durchdacht anzuwenden. Ebendies zeichnet das Spiel des 30-jährigen Russen aber aus.

Bis die Luft wegbleibt

Es folgten Debussys Pour le piano, bei dem Trifonov Schneeflocken im Wirbelwind tanzen ließ, sowie ein teuflischer Ritt durch Sergei Prokofjews Sarkasmen. Phänomenal, wie Trifonov hier die Gegensätze zwischen schroffen Akkorden, wilden Sprüngen, kühnen Harmonien und intimen, sinnlichen Passagen auslotet. Ein fantastisch klingender und viel zu selten gespielter Bösendorfer-Flügel tut sein Übriges.

Dann Johannes Brahms. 20 Jahre jung war selbiger, als er seine dritte, fünfsätzige Klaviersonate komponierte, und mit dem deutschen Komponisten ist das so eine Sache: Packt man seine Musik nicht richtig an, wirkt sie rasch schwer und behäbig. Bei Trifonov bleibt einem förmlich die Luft weg: vom eruptiven, unter Hochspannung gespielten Kopfsatz über das Andante, das Trifonov als hochromantisches berührendes Notturno gestaltet, bis zu den abgründigen Trauermarsch-Rhythmen im vierten Satz und dem majestätischen, kontrapunktisch angelegten Finale.

Passend dazu gab es als Zugaben Bachs Bist du bei mir und Jesus bleibet meine Freude sowie das c-Moll-Rondo seines Sohnes Carl Philipp Emanuel. Jubel. (Miriam Damev, 3.7.2021)