Es sind Fragen, auf die es in Österreich bisher kaum evidenzbasierte Antworten gibt. Der Staat gibt im internationalen Vergleich viel für die Forschungsförderung von Unternehmen aus. Aber zahlt sich das aus, profitiert die Gesellschaft tatsächlich davon, weil etwa Unternehmen, die gefördert werden, mehr Jobs schaffen und stärker investieren?

Anderes Beispiel: Gibt es statistische Merkmale, die jene Menschen gemeinsam haben, die mit Corona infiziert waren oder die eine Impfung verweigern? Wissen darüber könnte politische Aufklärungskampagnen zielgerichteter machen.

Um Antworten auf diese Fragen geben zu können, brauchen Wissenschafter allerdings Zugriff auf Verwaltungsdaten aus diversen Registern. Während das rechtlich theoretisch schon in Einzelfällen möglich gewesen wäre, gab es bisher in der Praxis keinen solchen Zugriff für interessierte Forscher.

Die türkis-grüne Regierung unternimmt nun einen Anlauf, um das zu ändern. Der seit Jahren aus der Wissenschaft vorgetragene Wunsch, den Datenzugang in Österreich grundlegend zu verbessern, soll nun per Gesetzesnovelle umgesetzt werden. Konkret wird ein Austrian Micro Data Center (AMDC) bei der Statistik Austria geschaffen. Das entsprechende Gesetz aus dem Wissenschaftsministerium unter Heinz Faßmann ist fertig ausgearbeitet und ging am Freitag in Begutachtung. Sollte das Parlament zustimmen, wird das Data-Center in spätestens einem Jahr aktiv sein. Das Vorhaben war bereits im Koalitionsabkommen fixiert worden.

Bis zuletzt war noch zwischen ÖVP und Grünen über zahlreiche Details diskutiert worden – unter anderem ging es dabei um die Frage, wer auf diesen Datenschatz künftig zugreifen können soll.

Was alles gesammelt wird

Das neue Datencenter wird von der Statistik Austria betrieben werden. Die Statistiker werden zunächst jene Registerdaten einspielen, über die sie selbst verfügt. Das sind zum Beispiel Informationen über Unternehmenskennzahlen in Österreich, die im Zuge einer regelmäßigen Erhebung von der Statistik gesammelt werden.

Die Statistik erhebt außerdem jede Menge Informationen aus anderen staatlichen Registern: etwa Daten zu Arbeitslosen über das AMS, Informationen aus dem Familienbeihilfenregister, von der Sozialversicherung, dem Fremdenregister oder dem Kfz-Register. All die Informationen sollen über das Data-Center der Forschung künftig bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden.

Zudem kann jedes Register für Forschungszwecke freigegeben werden, sofern der zuständige Fachminister und Wissenschaftsminister Faßmann eine entsprechende Verordnung ausarbeiten. Das können dann zum Beispiel Daten aus der elektronischen Gesundheitsakte (Elga) sein oder vom Epidemiologische Meldesystem, in dem Informationen der Spitäler und von Ärzten zu bestimmten Erkrankungen abgespeichert werden.

Wissenschaftsminister Heinz Faßmann will das neue Datencenter auf Schiene bringen
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Das Interessante aus Sicht der Forscher ist, dass die verschiedenen Register kombiniert analysiert werden können: So können eben Wissenschafter auswerten, an welches Unternehmen die Forschungsförderung fließt und ob sich dieses besser entwickelt.

Weil der Zugriff auf diese Informationen heikle datenschutzrechtliche Fragen aufwirft, gibt es eine Reihe von Sicherheitsvorkehrungen. Alle Registerdaten werden der Statistik pseudonymisiert zugespielt, das heißt, auf Namen von Personen oder Unternehmen kann nicht zugegriffen werden.

Wenn Wissenschafter Zugang zum Datencenter haben wollen, müssen sie einen Antrag stellen, in dem sie ihr Forschungsprojekt skizzieren. Erlaubt werden sollen nur Anträge zur Grundlagenforschung, sagten Minister Faßmann und Statistik-Austria-Chef Tobias Thomas bei der Präsentation des Projektes.

Und: Der Zugang wird auf bestimmte wissenschaftliche Einrichtungen wie Universitäten beschränkt, kommerzielle Unternehmen sollen keine Informationen erhalten. Das Gleiche gilt auch für Parteien.

Streit um den Zugang

Gestritten wurde bis zuletzt in der Koalition darum, ob Arbeiter- und Wirtschaftskammer Zugriff haben sollen. Dem Vernehmen nach setzten sich die Grünen dafür ein. Dies wird aber nicht kommen. Allerdings sollen auch andere, nicht im Gesetz verankerte Einrichtungen Anträge auf Zugang zu den Informationen stellen können.

Als zusätzlicher Sicherheitsmechanismus wird eine Ex-post-Kontrolle eingebaut: Sofern aus den Informationen doch Rückschlüsse gezogen werden können, etwa auf ein einzelnes Unternehmen, dürfen die Daten nicht publiziert werden.

Und was sagen Datenschützer zu diesem Vorhaben? Man sei prinzipiell nicht gegen die Einrichtung des Micro Data Center, sagt Thomas Lohninger, Geschäftsführer von Epicenter Works, einer NGO.

Allerdings müsste das Center somit zugleich einen entsprechenden Datenschutz gewährleisten. So müssten alle Sorgfaltskriterien bei der Antragstellung eingehalten werden, etwa indem genau festgehalten wird, zu welchem Zweck und wie lange die Daten verwendet werden dürfen.

Das neue Datencenter wird von der Statistik Austria betrieben. Diese soll die Anträge der Forscher auf Zugang zu den sensiblen Informationen evaluieren.
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Kritisch wäre das System erstens, wenn die Statistik Austria durch zusätzliche Daten den eigenen Datenpool so weit vervollständigt, dass dort zu viel gebündelt ist. Beziehungsweise zweitens, wenn die Daten ohne die genannte Sorgfaltsprüfung und Anonymisierung herausgegeben werden und somit auch die Firewalls zwischen den einzelnen Ministerien und Institutionen eingerissen werden.

Eine genauere Bewertung des Vorhabens wird möglich sein, wenn der Gesetzestext vorliegt.

Forscher zufrieden

Die Wissenschaftsvertreter, die sich für das Thema interessiert haben, zeigen sich zufrieden: "Die Wissenschaft freut sich, dass diese notwendige Novelle jetzt endlich auf den Weg gebracht wird und wir in den Prozess eingebunden wurden. Mit dem Austrian Micro Data Center werden der Wissenschaftsstandort sowie evidenzbasierte Politikgestaltung in Österreich gestärkt und gleichzeitig höchste Datenschutz-Standards eingehalten", sagt Harald Oberhofer, Ökonom an der WU Wien und Mitglied der Plattform Registerforschung.

Für die Finanzierung des Projektes stellt das Wissenschaftsministerium 500.000 Euro jährlich zur Verfügung. Zudem wird die Statistik von Wissenschaftern eine Gebühr im Rahmen konkreter Informationsanfragen einheben. (András Szigetvari, Stefan Mey, 2.7.2021)