„Black lives matter. Change is possible. Human rights for all” – “Black lives matter. Veränderung ist möglich. Menschenrechte für alle“. So lautet das Motto des Urban Justice Centers in New York City. „Seit den Anfängen haben wir für die gekämpft, die keine Stimme haben“, erzählt Doug Lasdon, der Executive Director. 1984 gründete der Absolvent der renommierten Cornell Law School das Urban Justice Center als Ein-Personen-Betrieb in einem ausgebrannten Gebäude in East Harlem. Sein Ziel war es, den in der Gesellschaft Rechtlosen dringend benötigten Rechtsbeistand anzubieten.

„Ich bin stolz auf jeden Fall, mit dem wir seither das System verändert haben. Wir helfen gesellschaftlichen Gruppen, die sonst niemand vertreten will. Wir haben alleinstehende obdachlose Erwachsene unterstützt, als alle anderen Familien und Kinder vertreten wollten. Wir waren die ersten, die Prostituierte und Sexarbeiterinnen vertreten haben.“  Um ihre Schützlinge zu erreichen, gingen seine Mitarbeiter direkt in Suppenküchen, Gefängnisse und Notunterkünfte. Heute betreuen die 120 Mitarbeiter zwölf Projekte und unterstützen LGBTQ+-Asylbewerber, Opfer häuslicher Gewalt, Sexarbeiter, Straßenverkäufer oder obdachlose Jugendliche. Durch den Social Justice Accelerator erleichtern sie außerdem erfolgversprechenden Start-ups, die sich für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit einsetzen, den Anfang durch materielle Unterstützung, juristische Beratung und eine Gemeinschaft von Mitstreitern.

Die Anfänge des Urban Justice Centers 1985 in einem ausgebrannten Gebäude in Harlem.
Foto: Urban Justice Center
Doug Lasdon, Gründer und Executive Director Urban Justice Center.
Foto: Urban Justice Center

Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Schwächsten der Gesellschaft

„Am Beginn der Pandemie dachte ich, dass das Urban Justice Center untergehen könnte. Die NBA (National Basketball Association) hörte auf. Die Schulen schlossen. Die Börse stürzte ab. Wir wuschen uns alle zehn Minuten die Hände und wussten nicht, ob wir noch Lebensmittel im Geschäft kaufen sollten. Dann sagte meine Frau, dass wir jetzt sofort, ohne auch noch eine Stunde zu warten, die Stadt verlassen müssten. Da kapierte ich den Ernst der Lage.“

Lasdon meint, dass die Schwächsten auch die am stärksten von Covid Gefährdeten seien. „Sie leben in überfüllten Einrichtungen, in Notunterkünften oder Gefängnissen. Isoliert zu bleiben ist schwer in einer solchen Situation. Diese Menschen haben auch oft gesundheitliche Probleme.“ Seit Beginn der Pandemie hilft das Urban Justice Center im Rahmen des „Safety Net Projects“ und stellt Hotelzimmer für Obdachlose zur Verfügung, siehe die #homelesscantstayhome-Kampagne.

Obdachloser Mann. "Homeless. Broke. Anything helps."
Foto: Stella Schuhmacher

„Die Leute in meinem Team haben sich dafür eingesetzt, dass Obdachlose eigene Zimmer bekommen. Kontroversen entstehen aus Unwissenheit darüber, wer die Obdachlosen sind und welche Hilfsmaßnahmen sie brauchen. Die Frage ist nicht, ob man diesen Menschen ein eigenes Zimmer gibt. Die Frage ist, ob die Stadt dafür sorgt, dass sie die Hilfsleistungen erhalten, die sie brauchen“, kommentiert Lasdon eine in New York ausgebrochene Diskussion. Ungefähr 54.000 obdachlose Individuen und Familien schlafen zurzeit in den Notunterkünften der Stadt. Wie viele auf den Straßen oder im U-Bahnnetz leben ist nicht bekannt. Im letzten Jahr wurden in zahlreichen Hotels Obdachlose untergebracht, um die Notunterkünfte während der Pandemie zu entlasten. Dies hat zu beträchtlichen Spannungen mit der ansässigen Bevölkerung in wohlhabenden Wohngegenden geführt, die sich über Drogen- und Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, Sicherheitsproblemen oder verdreckte Gehsteige beschwerten.

Vor einem verbarrikadierten Geschäft am Broadway. "Have faith in God. The Lord loves justice."
Foto: Stella Schuhmacher

Hilfe für Straßenverkäufer, Opfer häuslicher Gewalt und Sexarbeiter

Das Urban Justice Center erhielt unverhoffte Zuschüsse und setzte seine Arbeit während der Pandemie erfolgreich fort. Straßenverkäufern, häufig illegale Einwanderer ohne Zugang zu den Corona-Hilfsprogrammen der Regierung, wurde mit einer zwei Millionen Finanzspritze einer großen Bank finanziell geholfen. Das Projekt „Häusliche Gewalt“ kümmert sich um Opfer, die sich mit den Tätern im gleichen Haushalt in Corona-Isolation befanden. 968 Fälle waren es allein in den letzten Monaten. Auch das Sexarbeiterprojekt erhielt einen Millionenzuschuss von einer Einzelperson, um einen landesweiten Prozess zur Legalisierung von Sexarbeit zu leiten. „Große Konzerne sind jetzt eifrig dabei, uns zu finanzieren und wollen mit sozialer Gerechtigkeit verbunden sein.“

Streetvendor in NYC.
Foto: Stella Schuhmacher
Food Truck. Viele Straßenverkäufer sind illegale Einwanderer.
Foto: Stella Schuhmacher

Der scheidende New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio habe viel für arme Menschen in der Stadt getan, mehr als die meisten realisieren. „Vor kurzem sagte sogar de Blasio, dass Sexarbeit legalisiert werden soll. Der Bezirksstaatsanwalt in Queens hat die strafrechtliche Verfolgung von Prostituierten in 300 Fällen abgelehnt. Das ist ein sehr wichtiger Schritt und wäre von ein paar Jahren undenkbar gewesen“, erzählt Lasdon. Auch was das Mietrecht betrifft habe de Blasio wichtige Schritte gesetzt. Das "Recht auf Beratung" wurde weiterentwickelt und aufgebaut. „Das ist ein außergewöhnliches Programm des Bürgermeisters. Er ist nicht sehr beliebt, aber er hat einige sehr gute Dinge für arme Menschen getan, einschließlich dieses 100-Millionen-Dollar-Programms, um Menschen juristischen zu vertreten, die im Begriff waren, aus ihren Wohnungen vertrieben zu werden.“

Screenshot Urban Justice Center Safety Net Project.
Foto: Urban Justice Center

Wie wird es in NYC weitergehen?

Bei den Vorwahlen zur Bürgermeisterwahl in New York City am 22. Juni waren der Anstieg der Kriminalität und die Sicherheit auf den Straßen und in der Subway eines der zentralsten Themen. Morde, Schießereien oder Vergewaltigungen haben in der Stadt während der Pandemie deutlich zugenommen. „Wir müssen mehr über die Zunahme der Kriminalität erfahren. Ich hoffe, dass dies nur eine Folge von Covid ist. Angst und Nervosität sind explodiert.“ Von „Defunding the Police“, wie es in den Black-Lives-Matter-Protesten des vergangenen Jahres gefordert wurde, hält Lasdon wenig. „Ich bin nicht dafür, die Polizeifinanzierung zu kürzen. Ich denke aber, dass wir Alternativen für sozialpolitische Fragen finanzieren müssen. Wir müssen mehr für psychisch Kranke tun. Es sollte nicht die Polizei sein, die auftaucht. Und wir müssen aktiv für die Jugend da sein. Wir brauchen mehr Jugendprogramme, zum Beispiel Basketballprogramme.“ Lasdon nimmt an einer Kommission des Bürgermeisters teil, die sich mit der Schließung des berüchtigten Gefängnisses auf Rikers Island und einer anderweitigen Verwendung der dadurch frei werdenden Gelder befasst.

New Yorks Arbeitslosenrate ist nach wie vor höher als in den meisten anderen amerikanischen Großstädten. 600.000 Personen suchen seit mehr als sechs Monaten einen Job, ein Indiz für deren potenzielle Langzeitarbeitslosigkeit. „New York Citys Jobzahlen hinken im Vergleich zum Rest des Landes hinterher, aber es wird langsam besser. Gott sei Dank sind die Demokraten an der Macht, damit wir etwas anderes für die Wirtschaft tun können, als die Reichen zu besteuern. Ich glaube nicht, dass die wichtigste Lösung für soziale Probleme die Wirtschaft ist, aber eine gute Wirtschaft hilft.“

Lasdon ist überzeugter New Yorker und sieht die Zukunft der Stadt optimistisch. „New York wird wiederkommen, davon bin ich überzeugt! Die Stadt verkörpert die Idee von Freiheit, Freude, Gemeinschaft, Kunst und Kultur. Die Menschen wollen und brauchen das. Deshalb weiß ich, dass New York zurückkommt.“ (Stella Schuhmacher, 9.7.2021)

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