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Einen steilen Höhenflug vom Schuhputzer zum Geschäftsmann legte Sezgin Baran K. einst hin – mit engen Beziehungen zu Tayyip Erdoğan.

Foto: Reuters / Murad Sezer

Ein zwielichtiger türkischer Geschäftsmann aus der Grauzone zwischen Mafia und Politik sitzt seit 14 Tagen in Wien in U-Haft. Auf Betreiben Washingtons wurde der 39-jährige Sezgin Baran K. von der österreichischen Polizei festgenommen. Die USA fordern seine Auslieferung. Sie werfen ihm vor, in großem Stil an einem Betrug an der amerikanischen Finanzbehörde beteiligt gewesen zu sein. Es gilt die Unschuldsvermutung. Am Montag soll in Wien über die Auslieferung entschieden werden. Der Fall hat viele internationale Dimensionen, reicht nicht nur in die Türkei, sondern hat auch Berührungspunkte zur Trump-Regierung.

K. ist jedenfalls kein Unbekannter. Ihm gehören unter anderem Luxushotels an der türkischen Mittelmeerküste, in denen er nach Angaben örtlicher Medien immer wieder Abgeordnete, Polizeichefs und Journalisten kostenlos bewirtete und mit teuren Geschenken überrascht haben soll. K. spielt auch eine Rolle in den Aussagen des Mafiachefs Sedat Peker, die die Türkei seit Wochen erschüttern. Peker hatte K. als einen der kriminellen Geschäftsleute genannt. Er soll, so wie andere, von Innenminister Süleyman Soylu persönlich vor einer Verhaftung gewarnt worden sein und habe daraufhin fluchtartig die Türkei verlassen. US-Ermittler hatten ihn auf dem Schirm, weil er schon zuvor immer wieder nach Wien gefahren war.

Erinnerungen an Zarrab

K. hat, seit die AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan an der Macht ist, eine steile Karriere hingelegt. Er stammt aus ganz armen Verhältnissen, hat als Kind und Jugendlicher am Schwarzen Meer noch als Schuhputzer gearbeitet und kam innerhalb weniger Jahre zu sagenhaftem Reichtum. Dabei spielten gute Verbindungen in die Regierungspartei wohl von Beginn an eine wichtige Rolle. Wie in den letzten Tagen bekannt wurde, sollen türkische Politiker, darunter Innenminister Soylu, den Privatjet von K. genutzt haben. Außerdem soll der Privatjet des zwielichtigen Geschäftsmanns häufig zwischen der Türkei und Venezuela verkehrt haben, was zu den Vorwürfen passt, Personen aus dem Umfeld der Regierungspartei seien in Kokainschmuggel involviert.

Türkische Journalisten, etwa Orhan Bursali von der oppositionellen Tageszeitung Cumhuriyet, erinnert K. an den iranisch-türkischen Geschäftsmann Reza Zarrab, der vor einigen Jahren vom FBI verhaftet worden war und dann gigantische Geschäfte zur Umgehung des Iran-Embargos gestand, die er mithilfe türkischer Politiker und Banker durchgezogen hatte. Der damalige Prozess in den USA brachte in der Türkei Minister zu Fall.

Geschäfte mit Mormonen

Auch dem AKP-Geschäftsmann K. könnten nun US-Ermittler zum Verhängnis werden, während er zuvor die türkische Justiz durch Protektion von oben ins Leere hatte laufen lassen können. Hintergrund sind Geschäfte, die eine Holding von K. in den USA betrieben hat. Über seinen dortigen Statthalter Levon T., einen in Russland geborenen Armenier, kam er in Kontakt mit zwei Brüdern, die mit einer Firma aus dem Mormonenumfeld in Utah in großem Stil den US-Fiskus betrogen, indem sie illegal Subventionen für Biodiesel kassierten, den sie ähnlich wie bei den Cum-Ex-Geschäften in Europa immer wieder falsch deklarierten.

K., der mit seiner Holding eine große Nummer im türkisch-amerikanischen Business Council ist – er gehörte zu den Leuten, die unmittelbar vor der Wahl Donald Trumps dessen späteren Sicherheitsberater General Michael Flynn als Lobbyisten für die Türkei einkauften –, versprach den Brüdern, ihre illegalen Millionen in der Türkei zu waschen – so jedenfalls der Vorwurf. Durch seine Vermittlung konnten die Brüder, wie sie dem türkischen Nachrichtenportal Oda TV erzählten, sogar Erdoğan selbst am Rande einer UN-Vollversammlung in New York treffen.

Diplomatische Bemühungen

Die US-Ermittler werfen K. jetzt konkret vor, 133 Millionen Dollar des illegalen Geldes der beiden Brüder in Hotels und andere Immobilien vorwiegend in der Türkei, aber auch in der Schweiz angelegt zu haben. Für das Auslieferungsverfahren haben sie einen Strafrahmen aufgelistet, der K. in den USA bis zu 200 Jahre ins Gefängnis bringen könnte. Außerdem wollen sie, dass sein Besitz beschlagnahmt wird.

Falls K. gegenüber den amerikanischen Ermittlern auspackt, um eine Strafminderung auszuhandeln, könnte das für die türkische Regierung, wie schon bei Reza Zarrab, extrem ärgerlich werden. Wer weiß, wer seine Geschäfte alles gedeckt hat, fragen sich nun manche. Türkische Medien berichten, dass sich deshalb der türkische Botschafter in Wien, Ozan Ceyhun, ebenfalls um eine Auslieferung K.s bemühe, allerdings nach Ankara. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul, 4.7.2021)