Filterblasen in den Sozialen Medien verhindern, dass Menschen konstruktiv diskutieren, wie man globale Katastrophen in den Griff bekommt. Zu diesem Schluss kam ein Forscherteam mit österreichischer Beteiligung. Die Studie ist im Fachjournal "Scientific Reports" erschienen.

Filterblasen entstehen, wenn Algorithmen Inhalte entfernen, die wir (nach Einschätzung des Algorithmus) nicht mögen. So definiert sie zumindest der Medienexperte Richard Fletcher vom renommierten Reuters Institut der Universität Oxford. Der Begriff Filterbubble, englisch für Filterblase, geht ursprünglich auf den Politaktivisten Eli Pariser und sein Buch "Filter Bubble: Wie wir im Internet entmündigt werden" zurück. Die Terminologie gilt aber als umstritten: Viele Experten erkennen die Existenz und potentielle Gefahr von Filterblasen zwar an, es herrscht allerdings Uneinigkeit und eine dünne Nachweislage darüber, wie mächtig diese tatsächlich bei der Meinungsmache sind. Denn laut Fletscher sie sind nicht gleichzusetzen mit den sogenannten Echokammern, jenen virtuellen Stammtischen, in denen die eigene Meinung zwar ebenso verstärkt wird, aber nicht unbedingt durch das Zutun von Algorithmen.

Forscher: Filterblasen schaden dem Diskurs

Das Team um Astrid de Wijn von der Universität Stockholm und Andrew Ringsmuth vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz und vom Complexity Science Hub (CSH) Wien untersuchte in ihrer Studie Filterblasen mit einem mathematischen Modell – und kam zu dem Schluss, diese seien sehr wohl sehr mächtig. Bei globalen Problemen wie dem Klimawandel gibt es in der sozialen Dynamik zwei Stadien, erklärte Ringsmuth der APA: "Zunächst polarisiert sich die Gesellschaft rasch in zwei Gruppen von Menschen: Jene, die mit den nötigen Maßnahmen einverstanden sind und kooperieren, und jene, die sich den Veränderungen widersetzen". Dann gibt es ein lange andauerndes "Seilziehen" zwischen ihnen. Anstrengungen der einen Gruppe bewirken dabei nur steigenden Widerstand der anderen. Einen Gewinner könne es eigentlich nur geben, wenn sich eine der Gruppen größtenteils auflöst.

Das wird aber von "Filterblasen" effektiv behindert – also durch die Algorithmen, die den Leuten mehr Werbung zeigen sollen. "Wir glauben, dass hier die sozialen Mediennetzwerke eine entscheidende Rolle spielen", so de Wijn: "Um uns länger zu beschäftigen und mehr Werbung zeigen zu können, verwenden sie Algorithmen, die primitive Instinkte ansprechen. Sie verstärken entweder unser Zugehörigkeitsgefühl durch Inhalte, mit denen wir bereits einverstanden sind, oder empören uns mit Dingen, die wir einer konträren Gruppe zuordnen." Dadurch entstünden "Meinungsblasen" von beispiellosem Ausmaß und ein aufgeheizter öffentlicher Streit, der genau das Gegenteil von dem ist, was man bräuchte: Einen sachlichen Diskurs, wie man das Problem lösen könnte.

Sachlichen Austausch kann es eigentlich nur an den Rändern dieser Meinungsblasen geben, so die Forscher. Demnach sollten einzelne Mitglieder der einen Blase mit exponierten Mitgliedern der anderen Blase in Kontakt treten und sie mit alternativen Ansichten konfrontieren: Zum Beispiel, dass es vielleicht doch nötig ist, rasch gegen den Klimawandel anzukämpfen. "Man muss dabei oft sehr schwierige Konversationen durchziehen, denn niemand will seine Weltansicht angegriffen wissen und wir alle ignorieren gerne unbequeme Evidenz", meinte Ringsmuth: "Unsere Forschung zeigt aber, dass diese Interaktionen unerlässlich sind, um den Klimawandel im nötigen Ausmaß und mit der nötigen Geschwindigkeit abzuschwächen."

Blasen können platzen

Die gute Nachricht aus den Modellläufen sei, dass es manchmal sehr schnell geht, eine Blase zum Platzen zu bringen. Außerdem können kleine Änderungen etwa in den sozialen und politischen Rahmenbedingungen große Auswirkungen haben, ob "das System zur kompletten Kooperation oder Ablehnung kippt", erklären die Forscher.

Sehr hilfreich wäre es freilich, wenn aus den Filterblasen generierenden, nicht wirklich "sozialen" Medien solche würden, die konstruktiven Austausch zwischen den einzelnen Gruppen fördern. "Diese könnten ein starker Motor für gemeinsame Anstrengungen sein", so Ringsmuth. (fmo, APA, 5.7.2021)