An der steirischen Montanuniversität spielen Burschenschaften eine größere Rolle als im Rest Österreichs. Eine ihnen nahestehende Fraktion mit Verbindungen zum RFS stieg nun in eine ÖH-Koalition mit der Aktionsgemeinschaft auf.

Foto: Elmar Gubisch

Die Montanuniversität Leoben war in der Studierendenpolitik lange Zeit eine Hochburg der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft (AG). Bis zuletzt hatte die AG in der Uni-Vertretung sogar die absolute Mehrheit an Mandaten, diese ist durch die vergangene ÖH-Wahl im Mai aber passé. Ein Minus von sieben Prozentpunkten brachte einen Absturz auf 41 Prozent der Stimmen, das reicht nur mehr für vier von neun Sitzen. Ebenso viele Sitze konnte der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ) erringen, der bei einem Plus von neun Prozentpunkten nur knapp hinter der AG auf Rang zwei landete. Ein Sitz fiel – traditionellerweise – an die Liste Leobner Studenten (LLSt). Sie konnte ebenfalls zulegen und erzielte 18 Prozent der Stimmen.

Starke Verbindungslinien zum RFS

In den Koalitionsverhandlungen hat sich die Aktionsgemeinschaft nun für eine Zusammenarbeit mit der Liste Leobner Studenten entschieden, der VSStÖ muss hingegen in Opposition. Das ist insofern bemerkenswert, als die AG im Wahlkampf eine Koalition mit kommunistischen Fraktionen, aber auch "mit dem rechten Rand" ausgeschlossen hat, womit AG-Chefin Sabine Hanger den Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) meinte. Die LLSt gilt jedoch als eng mit dem RFS verbandelt, der in Leoben selbst nicht unter seinem Namen antritt. Noch im Wahlkampf 2019 wurde die LLSt auf der RFS-Website als Untergruppe angeführt, für die Kontaktaufnahme in Leoben wurde vom RFS auf die Internetauftritte der LLSt verwiesen.

Für Traditionen, gegen Gendern

Auch der personelle Austausch war über die Jahre hinweg eng: So mutierte etwa der langjährige LLSt-Aktivist Lukas Feichtenschlager 2017 zum Bundesobmann des RFS. Auf STANDARD-Anfrage zu ihrer Verbindung mit den Blauen schreibt die LLSt: Man habe bei den letzten beiden ÖH-Wahlen nicht "als RFS kandidiert". Vielmehr bilde man eine unabhängige Leobner Fraktion und lasse sich nicht in eine "bundesweite parteiliche Meinung" einordnen.

Die ideologische Stoßrichtung der LLSt zeigt sich freilich durch ihre Verankerung im burschenschaftlichen Milieu, das an der Uni Leoben eine ungewöhnlich große Rolle spielt. So sieht sich die LLSt als Bewahrerin lokaler bergmännischer Traditionen, etwa des Bierauszugs und des Ledersprungs. Zudem will sich die Liste gegen "Erfindungen wie das dritte Geschlecht und das Binnen-I" einsetzen sowie "einen Verfall des guten Rufes unserer Alma Mater durch Instrumentalisierung politisch linker Themen" verhindern.

"Schriftwart" und Leder

Die Funktion des Schriftführers wird beim LLSt als "Schriftwart" bezeichnet. Auf die Frage, ob die Liste deutschnational ausgerichtet ist, erhält der STANDARD anstelle einer Bejahung oder Verneinung folgende Maxime geliefert: "Eine gesellschaftspolitische Einordnung ist absolut unzulässig." Durch die Koalition mit der AG wurde mit Anfang Juli LLSt-Mandatar Johannes Kössler zum Leobener Vize-ÖH-Chef befördert. Ob Kössler Mitglied der schlagenden Burschenschaft Cruxia ist, will die LLSt "aus datenschutzrechtlichen Gründen" nicht sagen.

Evidente personelle Überschneidungen gab es in der jüngeren Vergangenheit jedenfalls immer wieder mit der Burschenschaft "Leder", die vor drei Jahren durch einen Flyer mit dem Bild eines NS-Malers samt homophober Botschaft auffiel. So war der Sprecher von "Leder" 2019 zugleich Vizechef der LLSt, zuvor außerdem Funktionär der FPÖ-Jugend.

AG-Koalitionsansage nur für Bundes-ÖH

Wie passt all das nun zur Ankündigung der AG-Vorsitzenden Sabine Hanger, ihre Fraktion werde keine ÖH-Koalition mit dem rechten Rand formen? Zum STANDARD heißt es, diese Ansage habe sich "rein auf die Ebene der Bundes-ÖH" bezogen – was sich mit einer Recherche im Archiv deckt, da Hanger zu Koalitionsoptionen tatsächlich immer im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur für die Bundesvertretung gefragt wurde. Überdies führt die Bundes-AG aus, dass durch den föderalen Aufbau jede Untergruppe der AG einen eigenen Verein bilde und man in deren Entscheidungen nicht eingreifen könne.

Die Aktionsgemeinschaft Leoben selbst sagt zur neuen Koalition an der Montan-Uni, dass man die LLSt als "konstruktiven Partner kennengelernt" habe. Man wolle die Studierenden "und nicht gesellschaftspolitische Agenden" in den Vordergrund stellen. Der Koalitionsvertrag wird nicht offengelegt, Hauptthemen für die kommenden zwei Jahre seien aber etwa: "Fokussierung auf Gleichstellung und Inklusion", die bessere Verknüpfung digitaler Lernplattformen und der Ausbau von Weiterbildungsprogrammen.

Der Leobener VSStÖ kritisiert die Einigung scharf. Man habe sich sehr um eine Koalitionsbeteiligung bemüht, doch die AG habe lieber eine Liste vom rechten Rand in das Vorsitzteam gehievt, weil diese sich als billiger Mehrheitsbeschaffer angedient habe. Damit wolle sich die AG an ihrer alten "Dominanz im konservativen System" festklammern. Dabei hätten die roten Zugewinne bei der Wahl gezeigt, dass den Studierenden soziale Fragen auch in Leoben zunehmend wichtig seien, schreibt der VSStÖ. (Theo Anders, 7.7.2021)