Seit jeher war die europäische Heiratspolitik ein wichtiges Instrument zur Erhaltung und Erweiterung von Macht und Territorien der Herrscherhäuser. Dabei waren es zum allergrößten Teil und bis auf verschwindend wenige Ausnahmen Frauen, die ihre Heimat verlassen und in ein fremdes Land ziehen mussten, um einen ihnen meist völlig unbekannten Mann zu heiraten und Söhne zu gebären. Welche Spuren solcher Frauen finden wir noch in Wien?

Von Byzanz bis Mexiko

"... die Hochzeit da dauerte wohl siebzehn Tage ...", beschreibt der unbekannte Erzähler des Nibelungenlieds die Vermählung Kriemhilds mit dem Hunnenkönig Etzel in Wien und schildert damit wahrscheinlich die von Zeitgenossen als "prachtvoll und großartig" beschriebene Hochzeit des Babenbergers Leopold VI. mit der byzantinischen Prinzessin Theodora Angeloi (†1246) im Jahr 1203. Schon sein Großvater Herzog Heinrich II. Jasomirgott war mit einer Byzantinerin, Theodora Komnena (†1184), verheiratet. Byzantinische Kultur, griechische Namen wurden in Wien Mode, für kurze Zeit hieß die Stadt Vindopolis. Einer alten, wenn auch nicht unbedingt wahrheitsgetreuen Überlieferung nach soll das Wiegenlied "Eia Popeia", das sich aus dem altgriechischen Schlaflied "Haidu o mu paidiu" ("Schlaf wohl, mein Kindchen") entwickelt hat, auf Theodora Komnena zurückgehen. Sie und Heinrich II. fanden ihre letzte Ruhestätte im von ihnen gegründeten Schottenstift.

Gertrud und Theodora Komnena.
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Die Frauen der frühen Habsburger in Österreich kamen aus französischen, aragonesischen, böhmisch-luxemburgischen, italienischen Geschlechtern. Kaiser Maximilian I. (1459–1519) hatte eine Ahnenreihe, die ganz Europa repräsentierte: Väterlicherseits stammte die Urgroßmutter, Viridis Visconti, aus Mailand, die Großmutter, Cimburgis von Masowien, aus Polen. Maximilians Mutter Eleonore war Portugiesin und durch deren Großmutter Philippa von Lancaster bildeten auch die englischen Plantagenets ein Zweiglein im habsburgischen Stammbaum. Maximilians internationale Heiratspolitik vergrößerte den Besitz der Habsburger immens. Seine eigene Heirat mit Maria von Burgund brachte die Niederlande (1477), jene seines Sohnes Philipp mit Juana aus dem Haus Trastámara Spanien (1504) und letztendlich die Verbindung seines Enkels Ferdinand mit Anna Jagiella Böhmen und Ungarn (1526) unter habsburgische Herrschaft. Auch die reichen überseeischen Kolonien kamen an die spanische Linie Habsburgs und damit materiell und ideell wertvolle Gegenstände in ihren Besitz. Darunter auch der mexikanische Kopfschmuck aus Queztal-Federn (Penacho de Moctezuma) aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der heute im Weltmuseum in Wien aufbewahrt wird.

Maria von Burgund.
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Spuren im Stadtbild Wiens

Zwischen dem spanischen und dem österreichischen Zweig der Familie Habsburg kam es sehr häufig zu ehelichen Verbindungen, oft generationsübergreifend. Aber auch innerhalb der österreichischen Linie waren Verwandtenehen üblich. Die Tochter Erzherzog Ferdinands von Tirol aus seiner legitimen zweiten Ehe, Anna (1585–1618), heiratete Kaiser Matthias. Sie vererbte in ihrem Testament ihren Reliquienschatz den Kapuzinern und verfügte die Stiftung eines Klosters und einer Kirche für den Orden sowie einer Gruft für sich und ihren Gemahl in diesem Kloster. Sie war damit die Gründerin der Begräbnisstätte der Habsburger, der Kapuzinergruft.

Erzherzogin Anna von Österreich-Tirol.
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Im 17. Jahrhundert stieg die Zahl der matrimonialen Verbindungen mit den Gonzagas aus Mantua. Schon erwähnt wurde die zweite Frau Ferdinands von Tirol, Anna Katharina Gonzaga. Kaiser Ferdinand II. und sein Sohn Ferdinand III. heirateten ebenfalls Prinzessinnen aus dieser Familie, beide hießen Eleonore. Beide Kaiserinnen waren umfassend gebildet, musikliebend und sehr fromm. Eleonore die Ältere (1598–1655) stiftete das Karmelitinnenkloster St. Josef, das im Volksmund Siebenbüchnerinnenkloster genannt wurde, im Gebiet der jetzigen Vorlauf- und Marc-Aurelstraße. Unter Joseph II. wurde das Kloster aufgehoben, das Gebäude als Polizeigefangenenhaus benützt und gegen Ende des 19. Jahrhunderts abgerissen. Das heutige Kloster der unbeschuhten Karmelitinnen in Ober St. Veit sieht sich in der Nachfolge dieser Institution. Eine weitere Stiftung der Kaiserin war die Loretokapelle in der Wiener Augustinerkirche, eine Nachbildung der Casa Santa in Italien. Diese Kapelle wurde in josephinischer Zeit in einen Seitentrakt der Kirche verlegt. In ihr befindet sich das Herzgrüftl, wo in Urnen verschlossen die Herzen von 54 Habsburgern aufbewahrt werden, von Kaiserin Anna (†1618) bis Erzherzog Franz Karl (†1878), dem Vater Kaiser Franz Josephs. Auch Kaiserin Eleonore die Jüngere (1630–1686), die dritte Ehefrau Ferdinands III., war eine Förderin religiöser Orden. Sie stiftete das Ursulinenkloster in der Wiener Johannesgasse (jetzt Hochschule für Musik und darstellende Kunst) sowie anlässlich des Fundes eines unversehrten Reliquienkreuzes nach einem Brand in der Hofburg einen Orden für hochadelige Damen, den Sternkreuzorden, der bis heute tätig ist.

Die letzte Heirat zwischen Mitgliedern der spanischen und der österreichischen Linie der Familie ging Leopold I. ein. Er ehelichte seine Nichte, die spanische Prinzessin Margarita Teresa (1651–1673). Ihre von Velázquez gemalten Porträts gehören zu den Prunkstücken des Kunsthistorischen Museums. Sie kam mit 15 Jahren in Wien an, anlässlich der Hochzeitsfeiern wurde ein aufwendiges und prunkvolles Rossballett auf dem Burgplatz, zu ihrem 17. Geburtstag die Oper "Il pomo d'oro" aufgeführt. Die strenge Frömmigkeit der jungen Kaiserin trug in großem Ausmaß zur Vertreibung der Juden aus Wien 1670 bei, die Judenstadt wurde aus diesem Anlass in "Leopoldstadt" umbenannt. Margarita Teresa starb mit 21 Jahren, sie hinterließ nach sechs Schwangerschaften nur eine einzige Tochter.

Kaiserin Margarita Teresa.
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Katholisch müssens sein

Nach dem Aussterben der spanischen Linie wandte sich das Herrscherhaus den hochadeligen Fürstentöchtern des Reiches zu, die allerdings katholisch sein oder konvertieren mussten. In dritter Ehe heiratete Leopold I. eine pfälzische Prinzessin, auch seine beiden Söhne aus dieser Ehe verbanden sich mit deutschen Fürstinnen. Die Braut Josephs I., Wilhelmine Amalie von Braunschweig (1673–1742), hinterließ die sichtbarste Spur im Wiener Stadtbild. Nach dem frühen Tod ihres Mannes gründete sie das Salesianerinnenkloster am Rennweg. Die dazugehörige Kirche mit ihrer großen Kuppel ist eine der eindrucksvollsten Wiens und erlangte besondere Bekanntheit durch den Canaletto-Blick (eine Darstellung Wiens vom Oberen Belvedere aus gesehen, von Bernardo Bellotto). Wilhelmine Amalie ist in der Krypta der Kirche begraben. Auch heute leben noch Nonnen im Kloster.

Viele Prinzessinnen und ihre Schicksale wären noch zu erwähnen. Viele der "hohen Gemahlinnen" sind vergessen, anderen gelang es, durch ihre Stiftungen die Memoria aufrechtzuerhalten. Doch schon aus diesen wenigen angeführten Beispielen ist ersichtlich, wie stark Frauen aus anderen Ländern die Geschichte und das Bild unserer Stadt geprägt haben. (Friederike Kraus, 9.7.2021)