Unvergesslich: Bill Ramsey 2016 bei einem Auftritt in seiner Wahlheimat Hamburg.

Foto: APA / dpa / Bodo Marks

Er war der richtige Mann zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Statt in den Koreakrieg schickte die U.S. Army ihren Rekruten Bill Ramsey 1951 in die Etappe nach Deutschland, und da entdeckte zuerst der Soldatensender AFN den Mann mit der irgendwie schwarz klingenden Baritonstimme in Jazzkellern, ein paar Jahre später die deutsche Musikindustrie.

Im aufstrebenden Wirtschaftswunderland sang man damals gerne von Fern- und Heimweh, mit Vorliebe getragen und so ernst wie der Austro-Import Freddy Quinn oder schlicht doof, etwa dass man in Tampico nicht lange allein bleibt. In diese Szene platzte Ramsey mit Swing, guten Arrangements, liebenswürdigem Akzent und unterstützt von pfiffigen Textern. So hieß es etwa, dass die Zuhörer "Souvenirs" kaufen sollten, wie 1959 sein erster Nummer-eins-Hit hieß, "von der Gitarre eine Saite, die Elvis schlug, und den Verschluss der Bluse, die die Lollo trug".

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Süße Biene mit Tüllgardine

Das klang auch nicht hochgeistiger als die sonstige Schlagerproduktion, aber sehr nah am gerade Angesagten, und er trug es mit einer lässigen Ironie vor, die ihm weitere Erfolge garantierte. Unbekümmert von politischen oder sonstigen Korrektheiten konnte er den "Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer" besingen, den Speck in der Mausefalle Pigalle oder "die kleine süße Biene mit der Tüllgardine", eine exotische Bauchtänzerin, die sich jedoch von Suleika zu Elfriede entpuppt, und die "kannte ich – aus Wuppertal!".

Solche Ohrwürmer begleiteten das deutschsprachige und prä-anglophile Schlagerpublikum bis in die Mittsechziger und stempelten ihn zum gemütlichen, wohlgepolsterten Ami-Entertainer. Das aber war nur die halbe Wahrheit. Denn William McCreery Ramsey, 1931 in Cincinnati, Ohio, geboren, war schon in seinen College-Jahren ein anerkannter Interpret von Jazz- und Blues-Songs. Auch in Deutschland trat er mit frühen Jazzgrößen auf und veröffentlichte Platten auf Englisch, deren Arrangements es an Verve und Rhythmus mit jenen seiner amerikanischen Vorbilder – Duke Ellington etwa oder Louis Jordan – aufnehmen konnten.

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Liebe zu Jazz, Swing und Blues

Auf diese Wurzeln bezog er sich seit den späten Sechzigern vermehrt. Zwar blieb er mit Hits und Fernseh- und Filmauftritten bei seinem Schlagerpublikum präsent, häufig als der drollige Dicke. Doch seine Liebe und seine Energie galten den Jazz-, Swing- und Blues-Klassikern. Er dozierte über sie an der Musik-Uni Hamburg (wo er ab 1991 mit seiner vierten Frau und Managerin lebte), er kommentierte sie im Radio, und vor allem sang er sie mit Hingabe selbst.

Zu sehen sind seine vielen Live-Auftritte auf Youtube, zu hören auf kaum weniger zahlreichen Plattenproduktionen, nicht zuletzt auf der Doppel-CD "My Words", die Aufnahmen aus mehreren Jahrzehnten mit Big Bands, Quintetten und Quartetten (u. a. mit Toots Thielemans) versammelt und dem Interpreten 2016 zu seinem 85er gewidmet wurde.

Den Wiener Fans wird Bill Ramsey zusätzlich im Gedächtnis bleiben – ab 2005 trat er regelmäßig im Jazzland am Franz-Josefs-Kai auf. Erst im April dieses Jahres feierte er seinen 90. Geburtstag, jetzt starb der große Sänger in Hamburg. (Michael Freund, 5.7.2021)