In den letzten Tagen konnte man zwei sozusagen personifizierte Gegenpole in der Europäischen Union erleben.

Die slowenische EU-Ratspräsidentschaft begann mit einem Eklat bei der gemeinsamen Sitzung der Regierung mit der EU-Kommission in Ljubljana. Ministerpräsident Janez Janša, enger Freund Viktor Orbáns und Zielscheibe breiter internationaler Kritik wegen seines Drucks auf die unabhängigen Medien und die Justiz, hat scharfe Angriffe gegen die "einseitig informierten" EU-Kommissare gerichtet und Fotos über die angeblichen Intrigen sozialdemokratischer und ex-kommunistischer Politiker und Journalisten zur "Untergrabung der Richterschaft" einblenden lassen.

Ministerpräsident Janez Janša sorgte für einen Eklat.
Foto: AFP/JURE MAKOVEC

Wegen der Foto-Provokation – "einer inakzeptablen Attacke und Diffamierung von zwei Richtern und zwei Europaabgeordneten" – weigerte sich Frans Timmermans, sozialdemokratischer Vizepräsident der EU-Kommission aus den Niederlanden, zusammen mit Janša fotografiert zu werden.

An der Spitze einer wackligen Koalitionsregierung zerstört der slowenische Regierungschef nicht nur den Rest seines einstigen Rufes, sondern beschädigt auch die internationale Stellung des kleinen Landes, das als erster postkommunistischer Staat 2004 beziehungsweise 2007 zum Mitglied der EU, der Nato und der Eurozone wurde.

Paranoide Züge

Ich hatte Janša vor mehr als dreißig Jahren als jungen, mutigen Journalisten kennengelernt, über seine Verhaftung und dann über seine wichtige Rolle im Jugoslawienkrieg berichtet. Bei unserem letzten langen Gespräch vor fast sechs Jahren in Ljubljana war ich durch die Wandlung seiner Persönlichkeit nach dem später aufgehobenen Urteil zu zwei Jahren Gefängnis wegen einer "von Ex-Kommunisten erfundenen Bestechungsaffäre" erschüttert gewesen.

Stefan Zweig prägte das Wort "Hassleidenschaft" für Fanatismus, und Janšas damals als Oppositionspolitiker und heute in der Position des Ministerpräsidenten entladene Hasskraft mit fast paranoiden Zügen über "geheime kommunistische und linksextreme Netzwerke von Ljubljana bis Brüssel" könnte noch während der Präsidentschaft für weitere negative Schlagzeilen sorgen.

Welch ein Unterschied zu Janšas Gier nach Macht und Geld war und ist die lebenslange Haltung Heinrich Neissers, des großen österreichischen Politikers, dessen Lebenswerk am Samstag bei einer Europatagung mit einer 1946 (!) Seiten langen Festschrift von mehr als einhundert ausländischen und österreichischen Autoren gewürdigt wurde. Von links bis rechts haben Wissenschafter, Politiker und Publizisten den herausragenden Beitrag des 85-jährigen europäischen Humanisten, ehemaligen ÖVP-Klubobmanns, Zweiten Nationalratspräsidenten und Bundesministers für Föderalismus, des langjährigen Professors für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck zum heute so aktuellen Kampf für Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte und Solidarität in Österreich und in Europa (Facultas-Verlag) hervorgehoben.

Seine Bücher, Artikel und Stellungnahmen gegen die rechtspopulistischen und nationalistischen Tendenzen sollten auch heute, nicht zuletzt von seinen Nachfolgern in der ÖVP, gelesen und verstanden werden. (Paul Lendvai, 5.7.2021)