Die erste große Hitzewelle des Jahres ist gerade erst vorbei, und schon rollt die nächste an: Mitte der Woche könnte sich das Thermometer in manchen Regionen Österreichs in Richtung 37 Grad Celsius bewegen. Welche Folgen starke Hitze auf die Gesundheit haben kann, wurde vergangene Woche in Kanada sichtbar: Mehrere Hundert Menschen dürften Berichten zufolge aufgrund der hohen Temperaturen von über 49 Grad frühzeitig verstorben sein.

Extrem heiße Tage werden auch in Österreich zunehmend zum Problem: Hitzeperioden häufen sich, in vielen Sommernächten fehlt die Abkühlung. Doch was, wenn der Staat seine Bürger nicht ausreichend vor den Folgen der Klimakrise schützt? Diese Frage hat in der Vergangenheit einige europäische Gerichte beschäftigt. Auch hierzulande wird intensiv darüber diskutiert. Stein des Anstoßes war das Klimavolksbegehren, das ein Recht auf Klimaschutz in der Verfassung fordert.

Frage des Willens

In diese Richtung, aber nicht explizit, geht es auch im Entwurf des Klimaschutzgesetzes. Das Ministerium unter Leonore Gewessler (Grüne) hat nun ein Gutachten in Auftragen gegeben, das eine verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf Klimaschutz beleuchten soll. Das Fazit von Studienautor Daniel Ennöckl, Umweltrechtsexperten an der Universität Wien und der Universität für Bodenkultur: "Es gibt aus juristischer Sicht keinerlei Hindernis, ein Grundrecht auf Klimaschutz in die österreichische Rechtsordnung zu integrieren." Nachsatz: "Es ist eine reine Frage des politischen Willens."

Starke Hitzewellen sind nur eine von vielen Folgen der Klimakrise. Das Nichthandeln von Regierungen wird in immer mehr Ländern einklagbar. Auch in Österreich läuft eine rege Diskussion darüber.
Foto: Imago

Je nach künftigem Treibhausgasausstoß ist von einem mittleren globalen Temperaturanstieg zwischen 1,6 und 4,6 Grad Celsius bis 2100 im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1850 und 1900 auszugehen, schreibt der Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht in dem Gutachten. Wien könnte dadurch im Jahr 2080 im Sommer ähnliche klimatische Bedingungen aufweisen, wie sie heute in Senegals Hauptstadt Dakar herrschen. Aus Sicht des Juristen werde somit deutlich, "dass eine verfassungsrechtlich verankerte Pflicht des Staates zum Klimaschutz vorrangig die Bewahrung individueller Interessenpositionen der Bürger zum Gegenstand hätte".

Mit anderen Worten: Es geht darum, dass die Qualität der Lebensbedingungen gewahrt und Einzelpersonen vor den Folgen der Klimakrise – auf das eigene Leben und die Gesundheit – geschützt werden. Würden Regierungen jetzt untätig bleiben, wäre der Handlungsspielraum künftiger Generationen eingeschränkt, erklärt Ennöckl: "Es ist nicht sachlich gerechtfertigt, dass unsere Generation so lebt, wie sie will, aber die allgemeinen Freiheiten der jetzt Jungen künftig massiv eingeschränkt werden."

Kein nationaler Alleingang

Mit einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Klimaschutzes würde Österreich keinen nationalen Alleingang hinlegen. In einigen EU-Staaten wurde zuletzt versucht, über den Gerichtsweg mehr Klimaschutz einzufordern. Eines der bekanntesten Urteile dazu stammt aus den Niederlanden. Nachdem eine Umwelt-NGO eine Klimaklage in allen Instanzen gewonnen hatte, wurde die Regierung dazu verpflichtet, ihren Treibhausgasausstoß stärker als zuvor geplant zu reduzieren. Das Höchstgericht stützte sich in seiner Entscheidung auf eine Umweltschutzklausel in der niederländischen Verfassung.

Für viel Aufsehen sorgte heuer ein in Deutschland gefälltes Urteil: Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass das Klimaschutzgesetz in Teilen verfassungswidrig sei. Die Richter begründeten ihr Urteil mit der zu hohen Last künftiger Generationen und verpflichteten den Gesetzgeber, bis Ende 2022 die geplante Treibhausgasreduktion nach 2030 zu konkretisieren.

Drei mögliche Optionen

Für Österreich skizziert Ennöckl in dem Gutachten drei mögliche Formulierungen für ein Grundrecht auf Klimaschutz: Es könnte ein grundrechtlicher Anspruch darauf eingeräumt werden, dass die Republik ihren Verpflichtungen gemäß dem Pariser Klimaziel nachkommt. Eine zweite Variante könnte den Staat laut Gutachten zur Erreichung eines klimaneutralen Österreichs bis 2040 verpflichten. Die dritte Option wäre ein allgemein formulierter Anspruch auf angemessene Klimaschutzmaßnahmen. Ennöckl plädiert jedenfalls dafür, dass nur der Staat und nicht einzelne Unternehmen unmittelbar in die Pflicht genommen werden können.

Privatpersonen oder Umweltorganisationen, die mangelnden Klimaschutz einklagen wollen, müssen sich jedenfalls gedulden. Noch steht nicht fest, wie das Klimaschutzgesetz aussehen wird. Für eine Verfassungsänderung benötigt die Regierung zudem eine Zweidrittelmehrheit im Parlament. Die SPÖ sei grundsätzlich dafür, heißt es auf Nachfrage. Das Wie ist für die Roten noch offen. Die Neos sind gegen den Vorstoß. Die dritte Piste am Flughafen Schwechat hätte gezeigt, dass Umweltschutz auf Verfassungsebene nicht greife, sagen die Pinken. Auch die Freiheitlichen sind dagegen, sie fürchten ein "Aushebeln aller Grundrechte". (Nora Laufer, 6.7.2021)