Die Zahl der Sperren von Arbeitslosengeld beim AMS hat in der Pandemie stark abgenommen. Nun wird sich das wieder ändern.

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Mario Pulker, Obmann und Sprecher der Gastronomen in der Wirtschaftskammer, ist zufrieden. "Unsere Forderung ist gehört worden", sagt er in Richtung Arbeitsminister Martin Kocher. Schon seit Wochen beklagt Pulker, dass Gastronomen in ländlichen Regionen sich schwer damit tun, Personal zu finden. Verantwortlich dafür macht er die angebliche Unwilligkeit von jenen Arbeitslosen, "die Sozialleistungen beziehen, aber nicht arbeiten wollen".

Was Pulker so zufrieden macht? Der offenbare Meinungsumschwung bei Arbeitsminister Martin Kocher. Bisher klang Kocher trotz solcher Alarmrufe abwiegelnd. Vor kurzem noch sprach er im STANDARD-Interview davon, dass die Probleme bei Stellenbesetzungen bald aufhören werden. Offene Jobs zu vergeben dauere nach dem Ende einer schweren Krise nun einmal etwas länger, so Kocher damals.

Am Sonntag hat der ÖVP-Minister in der ZiB 2 angekündigt, dass er neue Zielvorgabe an das AMS ausgegeben hat, um die die Jobvermittlung zu forcieren. Arbeitsminister Kocher trägt der AMS-Führung in dem Schreiben auf, "weitgehend zur Normalität" bei der Vermittlung von Jobsuchenden zurückzukehren. Dabei soll es zu einer "konsequenten Sanktionierung" kommen, falls Arbeitssuchende offene Stellen nicht annehmen.

Konkret verlangt Kocher zudem mehr Anstrengungen bei der Vermittlung von Jobsuchenden in touristische Berufe, insbesondere von Personen, "die nicht mehr dem sogenannten Berufs- und Einkommensschutz unterliegen".

Wenn der Schutz ausläuft

Was ist damit gemeint? In den ersten hundert Tagen gilt für Arbeitslose der Berufsschutz beim AMS. So darf ein Informatiker zum Beispiel in dieser Zeit nicht in einen anderen Beruf vermittelt werden, wenn ihm dadurch eine künftige Beschäftigung als Informatiker erschwert wird. Das wäre zum Beispiel wohl der Fall, wenn er in einem Landgasthaus arbeiten müsste, obwohl er sich bei IT-Firmen in Wien bewerben möchte.

Und es gilt auch ein Einkommensschutz, das heißt, es muss in den ersten 120 Tagen kein Job angenommen werden, bei dem der Lohn unter 80 und danach unter 75 Prozent des letzten Arbeitseinkommens gelegen ist. Allerdings gilt das nur für Bezieher von Arbeitslosengeld, bei Notstandshilfe gibt es keine solche Einschränkung mehr.

Wie werden die neuen Regeln interpretiert? AMS-Chef Johannes Kopf spricht von einer "Aufforderung" des Ministers, das schon bestehende Gesetz konsequent zu vollziehen. Der Aufschwung sei da, es gehe darum, ein Signal zu setzen, dass nun wieder die Vermittlung in offenen Jobs im Vordergrund stehe, so Kopf. Bisherige Ausnahmen wegen der Pandemie, etwa für Menschen mit Vorerkrankungen oder aus bestimmten Risikogruppen, die in bestimmte Jobs nicht vermittelt wurden, gebe es nun nicht mehr, so Kopf, hier schütze die Impfung.

Anders sieht das Gernot Mitter, Arbeitsmarktexperte bei der Arbeiterkammer. Die neuen Regeln seien als reine Aufforderung zu verstehen, für einen stetigen Nachschub an Arbeitslosen für den Niedriglohnsektor im Tourismus zu sorgen, kritisiert er. Dadurch werde außerdem auch noch verhindert, dass im Tourismus ein Wandel einsetzt und bessere Jobs von den Unternehmen angeboten werden.

Vermitteln vor qualifizieren

Noch ein Aspekt in dem Schreiben des Ministers ans AMS ist interessant. Kocher fordert, dass – besonders im Tourismus – wieder der Grundsatz "Vermittlung vor Qualifizierung" forciert wird. Das scheint im Widerspruch zu anderen Vorgaben des Ministeriums zu sein. So gibt es schon das Ziel, 100.000 Menschen bis Ende 2022 im Zuge einer Qualifizierungsoffensive in AMS-Ausbildungsmaßnahmen unterzubringen. Hier gilt also die Devise, dass Qualifizierungen prioritär sind. Wie sich AMS-Berater zurechtfinden werden, bleibt abzuwarten.

Fakt ist, dass durch die Pandemie und die fehlenden offenen Stellen, die Sperren von Arbeitslosengeld beim AMS zurückgegangen sind. Im ersten Halbjahr 2020 gab es 46.000 Sperren, etwa weil jemand einen passenden Job nicht angenommen hat. Heuer waren es 51.000. Vor der Pandemie 2019 waren es im ersten Halbjahr noch 71.000 Sperren. Kopf rechnet wegen der Erholung mit einem weiteren Anstieg hier.

Übrigens: Im Tourismus gibt es aktuell mehr Arbeitslose als offene Stellen. Laut Zahlen des AMS sind in der Branche 31.000 Menschen auf Jobsuche bei 16.000 offenen Stellen. (András Szigetvari, 6.7.2021)