Sabine Seidler vermisst eine sinnvolle Strategie hinter dem Projekt für die neue Technische Uni, die in Oberösterreich entstehen soll.

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Vergangenen August wurde sie von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als "Digitalisierungsaushängeschild Österreichs" angekündigt, 2023 soll sie bereits mit Studierenden in Betrieb gehen. Ein greifbares Konzept gibt es für die Technische Universität in Oberösterreich allerdings noch nicht. Bei Sabine Seidler, der Präsidentin der Universitätenkonferenz (Uniko), sorgt das Prozedere rund um die neue Uni für einigen Unmut, wie sie am Montagabend bei einem Gespräch mit Journalisten deutlich machte. Auch die politischen Akteure hinter dem Hochschulprojekt kamen bei der Vertreterin der heimischen Uni-Rektoren nicht gut weg.

Schon der Startschuss aus dem Nichts, im Sommer 2020, habe sie "sprachlos" zurückgelassen, berichtete Seidler. Niemand habe vor des Kanzlers Ankündigung mit der Uniko auch nur ein Wort über die Neugründung gewechselt. Richtiggehend "politisch überrollt" seien die Unis worden. Und nicht nur diese, glaubt Seidler: Auch der eigentlich zuständige Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP) sei zunächst nicht eingebunden gewesen und erst kurz vor der medialen Anpreisung über die Idee in Kenntnis gesetzt worden.

Mangelnde Planung

Dabei sei eine Uni-Neugründung eine einschneidende Entwicklung, die erhebliche Investitionen erfordere und die heimische Hochschullandschaft für Jahrzehnte präge. Strategische Planung samt Bedarfsermittlung tue daher bei einem solchen Großvorhaben not, in der Realität habe diese aber nach ihrer Wahrnehmung nicht stattgefunden. Seidler selbst, die auch als Rektorin der Wiener TU amtiert, kann keinen Bedarf für die neue Universität erkennen: In Oberösterreich gebe es mit der Johannes-Kepler-Uni (JKU) inklusive Linz Institute of Technology (LIT) bereits einen ausgeprägten technischen und industrierelevanten Fokus. Einen Schwerpunkt Digitalisierung hielte sie folglich an der JKU für gut aufgehoben – eine Parallelstruktur durch eine zusätzliche Uni hingegen für wenig sinnvoll. Weiterhin unbestimmt ist übrigens der Standort für die neue Uni; Linz gilt zwar nach wie vor als klarer Favorit, doch auch Wels, Steyr und Leonding mischen mit.

Stelzers Prestigeprojekt

Dass trotz unausgegorener Planung "großer Zeitdruck" auf die Etablierung eines Studienbetriebs an der zu schaffenden TU gemacht werde, ist für die Uniko-Chefin sachlich unbegründet. Dahinter stünden wohl eher kurzfristige politische Motive, da die Uni-Gründung ein Prestigeprojekt des oberösterreichischen Landeshauptmanns Thomas Stelzer (ÖVP) sei: "Es gibt hier sicher einen direkten Konnex zwischen den bevorstehenden Landtagswahlen und dem Druck, der da gemacht wird."

Entbehrlich findet Seidler die auch vom Wissenschaftsministerium ventilierte Idee, für die TU Oberösterreich ein eigenes Gesetz zu schreiben, anstatt sie in das bestehende Universitätsgesetz (UG) zu integrieren: "Keinesfalls braucht es noch einen neuen Typ tertiärer Bildungseinrichtungen." Ein Sondersystem würde die Kooperationsfähigkeit mit den restlichen 22 öffentlichen Unis hemmen, die alle dem UG unterliegen.

Konzeptgruppe mit Experten und Unternehmensvertretern

Ende Mai wurde von Minister Faßmann und Landeshauptmann Stelzer eine "Konzeptgruppe" einberufen, die das akademische Profil für die künftige TU erarbeiten soll. Zu deren Leiter wurde Gerhard Eschelbeck, ehemals IT-Sicherheitschef bei Google, auserkoren. Überdies sind Professorinnen und Professoren aus dem informatisch-technischen Bereich sowie Vertreter von Softwareunternehmen und der Wirtschaftskammer mit von der Partie. Bis Jahresende sollen laut damaliger Aussendung "weitere Umsetzungsschritte" bei der Festlegung von Studienrichtungen, Forschungsschwerpunkten und Kooperationspartnern gegangen werden. (Theo Anders, 6.7.2021)