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Naftali Bennett führt die neue Regierung an.

Foto: Reuters/RONEN ZVULUN

Jerusalem – Israels Regierung hat nur drei Wochen nach ihrer Vereidigung bei einer wichtigen Abstimmung eine schmerzhafte Niederlage erlitten. Das Parlament sollte über die Verlängerung eines seit 2003 geltenden umstrittenen Gesetzes abstimmen. Dieses verweigert Palästinensern den Zuzug, auch wenn sie mit einem israelischen Staatsbürger verheiratet sind. Bei der Abstimmung verfehlte die Acht-Parteien-Koalition am Dienstagmorgen aber nach einer nächtlichen Marathonsitzung die Mehrheit.

59 von 120 Abgeordneten stimmten für und 59 gegen die Verordnung. Zwei enthielten sich der Stimme. Israelische Medien werteten dies am Dienstag als "Rückschlag" für Ministerpräsident Naftali Bennett und dessen Regierung. Die Niederlage verdeutlicht die Schwierigkeiten einer ideologisch derart diversen Koalition. Bennetts Regierung umfasst Parteien aller Couleur – rechte, linke und der Mitte – sowie erstmals auch eine arabische Partei.

Rassistisches Gesetz

Das Bündnis scheiterte bei der Billigung eines Gesetzes, das schon häufig als rassistisch und anti-demokratisch kritisiert worden war. Gemäß der 2003 vom israelischen Parlament verabschiedeten Verordnung können Palästinenser sowie Einwohner "feindlicher Länder" auch durch Heirat keine israelische Staatsbürgerschaft oder Aufenthaltsgenehmigung erwerben. Später wurden jedoch Ausnahmen von dieser Vorschrift definiert.

Auslöser für das ursprüngliche Gesetz war ein Selbstmordanschlag in Haifa im März 2002, bei dem der Attentäter 17 Menschen mit in den Tod gerissen hatte. Bei ihm handelte es sich den Angaben zufolge um einen Palästinenser, der durch Heirat eine israelische Identitätskarte erhalten hatte.

Die Verordnung hatte zur Folge, dass viele Ehepaare, bei denen ein Partner Israeli und der andere Palästinenser ist, nicht mehr legal gemeinsam in Israel leben konnten. Diese Verordnung, die mit israelischen Sicherheitsinteressen begründet wird, betrifft vor allem arabische Paare. Sie wurde seitdem jedes Jahr verlängert. Am Dienstag endet ihre Gültigkeit. Deshalb wird nun mit einer Flut neuer Anträge gerechnet. Ohne die Verordnung muss künftig jeder Einzelfall geprüft und eine Ablehnung begründet werden. Auch dies kann dann wieder angefochten werden. Daher wird mit einem größeren bürokratischen Aufwand für die israelischen Behörden gerechnet.

Nach Angaben des Israelischen Demokratie-Instituts (IDI) werden jedes Jahr rund 1.000 Anträge auf Familienzusammenführung eingereicht. Im vergangenen Jahr hielten sich den Angaben zufolge etwa 13.000 Palästinenser in Israel auf, die im Rahmen von Familienzusammenführung eine zeitweilige Aufenthaltsgenehmigung erhalten hatten.

Zur Erhaltung der "jüdischen Mehrheit"

2012 hatte Israels Höchstes Gericht Klagen gegen die Verordnung zurückgewiesen. Eine Gesetzesänderung aus dem Jahre 2005 führte einige Ausnahmen ein: Demnach dürfen Frauen über 25 und Männer über 35 Jahren befristete Aufenthaltsgenehmigungen beantragen, ebenso Minderjährige. Seit 2007 gelten die gesetzlichen Beschränkungen auch für Staatsbürger des Iran, des Irak, Syriens und des Libanon.

Der israelische Außenminister Yair Lapid sagte am Montag, die Essenz der Verordnung sei es, "die jüdische Mehrheit im Staat Israel zu gewährleisten". Ohne sie wäre Israels Sicherheit nach Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet klar gefährdet, sagte Lapid.

Die Menschenrechtsorganisation Adalah teilte am Dienstag mit, man hoffe, die israelische Regierung werde nun entsprechende Anträge auf Familienzusammenführung "mit fairer, sachlicher und schneller Abwägung" überprüfen und dass Palästinenser "ihr Grundrecht auf Familienleben voll ausüben können".

Die neue Koalition unter Ministerpräsident Bennett wurde Mitte Juni mit einer knappen Mehrheit von nur einer Stimme vereidigt. Damit fand die politische Dauerkrise in Israel mit vier Wahlen binnen zwei Jahren ihr vorläufiges Ende.

Abgeordnete zweier Koalitionspartner, der linken Meretz-Partei sowie der konservativ-islamischen Partei Raam, hatten vor der Abstimmung über das umstrittene Gesetz ihre Absicht erklärt, aus Gründen der Überzeugung dagegen zu votieren. Regierungschef Bennett erklärte daraufhin die Abstimmung in letzter Minute zu einem Vertrauensvotum in die Regierung. Daher stimmten die Meretz-Abgeordneten sowie zwei Raam-Abgeordnete nach einem Kompromiss letztlich für den Vorstoß.

Opportunistisches Stimmverhalten Netanjahus

Die rechtsorientierten Abgeordneten der Opposition, darunter auch Ex-Regierungschef Benjamin Netanjahu, stimmten mit den arabischen Knesset-Mitgliedern der Opposition gegen das Gesetz, obwohl dies ihrer Ideologie widerspricht. Auch ein Abgeordneter von Bennetts Yamina-Partei stimmte dagegen.

Netanjahus Regierung hatte die Verordnung in den zwölf Jahren seiner Amtszeit jedes Jahr verlängert. Nun macht Netanjahus Lager sich jedoch für ein noch strengeres Immigrationsgesetz stark. Netanjahu hatte vor der Abstimmung in einem Tweet geschrieben, die neue Regierung müsse "die Suppe auslöffeln, die sie sich eingebrockt hat". (APA, 6.7.2021)