Die Pandemie hat uns auch Einiges über Wissenschaft und ihre Rolle in der (Wissens-)Gesellschaft gelehrt. Zwar ist nicht ausgeschlossen, dass es die Forschung selbst war, die durch ein Laborleck Sars-CoV-2 in die Welt brachte. Sicher aber ist, dass wir dank der Wissenschaft und ihrer Politikberatung dieses Virus in absehbarer Zeit zumindest entschärfen werden. Wie auch schon bei den Debatten rund um dem Klimawandel feiern aber auch alternative Fakten fröhliche Urständ’. Deren Vertreter berufen sich dabei selbst wieder mehr oder weniger stark auf die Wissenschaft.

Alexander Bogner, "Die Epistemisierung des Politischen. Wie die Macht des Wissens die Demokratie gefährdet", € 6,10 / 143 S., Reclam, Stuttgart 2021

Alexander Bogner gibt in seinem neuen Buch einen guten Überblick über diese Debatten aus der Perspektive der Wissenschaftsforschung. Der Soziologe hebt diese Diskussionen aber auf eine abstraktere Ebene: Er fürchtet, dass es in wichtigen politischen Streitfragen – egal ob zum Thema Corona oder CO2 – zu einer "Herrschaft der Wissens" kommen könnte. In einer solchen "Epistemokratie" wäre alles politische Handeln allein von Fakten geleitet; Werte und die Mitsprache der Bürger blieben auf der Strecke.

Viele der Diagnosen und Schlussfolgerungen Bogners sind überraschend und originell – etwa die zentrale These, dass alternative Fakten dann Hochkonjunktur hätten, wenn Politik aufgrund ihrer Übereinstimmung mit der Wissenschaft selbst als alternativlos erscheint. Das alles ist zudem glänzend formuliert, was den Großessay zu einer in jeder Hinsicht anregenden Lektüre macht. (tasch, 7.7.2021)