Der US-Musiker Jeb Loy Nichols: ein sanfter Solitär mit Haltung.

Foto: Peter Williams

Es gibt eine tolle Band da draußen. Okay, zwei, drei andere auch noch, aber die, die akut gemeint ist, heißt Hiss Golden Messenger. Die kommt aus dem US-Bundesstaat North Carolina und spielt seit 2008 und hat seither ein paar sehr schöne Platten veröffentlicht, die eine genauere Betrachtung verdient hätten. Eben erst ist Quietly Blowing It erschienen. Das betört mit einer ausgeschlafenen Mischung aus Country, Soul und faulem Funk.

Frecherweise geht es jetzt aber nicht um Hiss Golden Messenger, sondern um Jeb Loy Nichols. Der ist so etwas wie ein Geistesverwandter von Hiss Golden Messenger – nur eine Generation älter und noch ausgeschlafener.

Polsterfrisur und Funk

Jeb Loy Nichols hat ebenfalls gerade ein neues Album abgeliefert. Schlicht Jeb Loy betitelt, ist es ein prächtiger Bastard aus den oben erwähnten Stilen: Country ohne Rednecks oder den Ku-Klux-Klan, Südstaaten-Soul und Funk mit Polsterfrisur – so nennt man einen Scheitel, den ein gerechter Zwölf-Stunden-Schlaf in der Wolle hinterlässt.

Jeb Loy Nichols - Topic

Jeb Loy Nichols stammt ebenfalls aus den USA, lebt aber schon lange in Wales. Sein bester Freund auf der Insel ist der Musiker und Produzent Adrian Sherwood. Der empfand Dub in seiner Jugend als genauso spannend wie Punk und hat sich mit der Attitüde des einen dem anderen verschrieben.

Verwegenes Crossover

Seit über 40 Jahren produziert Sherwood Dub-Musik, die vom rabiaten Industrial über Remixe für Weltstars wie Depeche Mode oder Lee "Scratch" Perry bis zum bluesigen Dub der Gruppe Little Axe reicht. Mit On-U-Sounds betreibt er ein einschlägiges Label, auf dem Nichols schon veröffentlicht hat.

Sherwoods musikalische Neigung färbte nämlich auf Nichols ab, als der in den frühen 1980ern nach England kam. Zehn Jahre später war der Mann mit der sanften Stimme als Kopf der Band The Fellow Travellers kurz weltberühmt. Zumindest in der Leserschaft des deutschen Musikmagazins Spex.

konjunktiv2

Mit den Travellers erschuf er ein verwegenes Crossover: Er kreuzte Country-Music und Folk mit Dub und Reggae. Drei Alben hat diese Band veröffentlicht, allesamt sind sie kleine Wunder.

Ein wenig Dub-Vibe vermeint man in fast allen Alben zu verspüren, die er seit den Fellow Travellers eingespielt hat; an die 15 sind es bisher. Nichols kennt die Überzeugungskraft des Basses, seine Musik groovt entsprechend. Eine Abkehr von dieser Lehre stellte außerdem seine Freundschaft mit Sherwood infrage, das würde er nicht riskieren wollen. Für den entwirft er nebenbei als bildender Künstler Cover und Poster.

Country Got Soul

Aufgewachsen im Süden der USA, erwies Nichols sich zudem als Kenner jener Szene, deren Musik er heute spielt. In den Nullerjahren stellte er zwei vielbeachtete CDs mit dem Titel Country Got Soul zusammen, die auf die sich überlappende Kultur im US-Süden hingewiesen haben und Musiker und Bands versammelten, deren Werke die Grenzen dieser Stile mit großem Selbstverständnis überschritten.

Timmion Records

Das neue Album unterstreicht den Höhenflug dieses sympathischen Tiefstaplers, auf dem er sich abseits größerer Wahrnehmung seit langem befindet. Nichols spielt Country-Soul, den eine entspannte Feierabendlaune prägt. Sein Gesang besitzt zwar eine eigene Dringlichkeit, aber er gibt nicht vor, ein Shouter aus der schwarzen Kirche zu sein. Dabei hat er durchaus Anliegen, die in diesen sozialen Stätten der Afroamerikaner verbreitet wurden: Nichols hat ein Faible für linke Ideen.

Kritischer Geist reloaded

Zwar ist er kein Dogmatiker, seine Haltung schlägt dennoch durch. War es vor ein paar Alben ein Song wie To Be Rich (Should Be A Crime), so ist es auf dem neuen Album einer wie We Gotta Work On It, der seine Agenda befördert und auf Schieflagen in der Gesellschaft hinweist. Das betreibt er im Sinne eines Curtis Mayfield, also mit der Autorität des Sanftmuts.

Nichols ist ein weltoffener Verweigerer. Er will nicht am zerstörerischen Leben teilhaben, seine Entscheidung, eher einsiedlerisch auf dem Land zu leben, heißt umgekehrt aber nicht, dass er an der Welt nicht Anteil nimmt. Er tut das bloß zu seinen Bedingungen, anhand seiner Überzeugungen.

Jeb Loy Nichols - Topic

Seine Kunst ist dabei nicht das Vehikel einer Agitation, eher eine nette Erinnerung, den kritischen Geist nicht gänzlich zu vernachlässigen. Dementsprechend einnehmend klingen seine Songs, die von einer satten Orgel, knappen Hörnern und einem intim produzierten Chor getragen werden.

Faustdick

Dabei wächst die Cold Diamond & Mink gerufene Hausband seines finnischen Labels im Laufe dieses perfekt in Chronologie gesetzten Werks immer wieder über sich hinaus: Ein Lied wie Not There Yet klingt wie ein Soul-Klassiker aus einem legendären Südstaatenstudio und nicht wie die Arbeit eines Wahl-Walisers mit ein paar bleichen Skandinaviern. Doch die haben es faustdick hinter den Ohren.

Man will die Magie dieses Albums am Ende nicht mit einem marktschreierischen Superlativ bekleckern. Als Resümee muss also diese Einschätzung genügen: "ein Traum" – hingehaucht.