Die SPÖ bietet aktuell ein seltsames, verwirrendes Bild. Sie wirkt wie ein Labyrinthrätsel ohne erkennbaren Ausgang.

Da sitzt die Parteichefin Pamela Rendi-Wagner allein oben an der Spitze, umgeben von ein paar Getreuen, und im Vorhof balgen sich ein paar Mannsbilder und knobeln, wer die Frau vom Thron stürzen könnte. Keiner von ihnen hat aber den Mut zu ihr hinaufzugehen, sich auf die Brust zu schlagen und zu sagen: "Ich kann’s besser, lass mich ran."

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil mit Alt-Parteichef Christian Kern.
Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Stattdessen denkt sich die Männerrunde immer neue Finten aus, wie sie die – nicht immer sattelfeste – Parteivorsitzende mürbemachen kann. Jüngstes Beispiel: Der Vorlauteste von ihnen, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil, hat Rendi-Wagner dem Vernehmen nach jetzt schlimm gefoult. "Dosko", wie er intern gerufen wird, hat sich ja vor gar nicht so langer Zeit hochoffiziell von der Bundespartei und den Gremien in Gram verabschiedet. Er wolle sich zur Partei nicht mehr äußern. Das Schweigegelübde hat aber nicht lange gehalten. In einem Kurier-Interview listet er wieder auf, was denn in der Bundespartei, sprich bei Rendi-Wagner, alles schieflaufe. Die Chefin müsse sich selbst hinterfragen und überlegen, wie sie das Vertrauen der Basis nach der 75-Prozent-Abstimmung am Parteitag wiedergewinnen könne, vor allem in Sache Asyl nach der Ermordung des Mädchens Leonie.

"Es kann nicht sein, dass man bei einer Thematik, die grundsätzliche Fragen der Asyl-, Migrations- und Gesellschaftspolitik aufwirft, sich so zurückzieht. In so einer Situation muss sich die SPÖ laut und klar positionieren", polterte Doskozil im Interview, das Rendi-Wagner speziell bei diesem Punkt Sodbrennen verursacht haben muss. Denn sie hatte Tage zuvor mit Doskozil telefoniert und ihm vorgeschlagen, sie sollten doch gemeinsam vor die Presse treten und im Lichte des Falls Leonie Klartext in Sachen Asyl reden – und Geschlossenheit zeigen. Was Doskozil aber mit dem Hinweis, er äußere sich nicht mehr zu bundespolitischen Dingen, abgelehnt haben soll. Um ein paar Tage später dieses Interview zu geben, in dem er eben diese klaren Worte von Rendi-Wagner und der SPÖ einforderte.

Verwirrspiel

Doskozil, vom STANDARD danach gefragt, lässt gegenfragen, ob es denn keine anderen Probleme gebe als die Frage, wer mit wem telefoniere.

Um das ganze rote Verwirrspiel noch weiter zu verkomplizieren, tritt jetzt auch noch Alt-Parteichef Christian Kern wieder auf die Bühne und stellt sich als Berater Doskozils vor. Zwei alte Feinde jetzt plötzlich traut vereint? Wer soll sich da noch auskennen, was in diesen roten Männerhirnen vorgeht?

Bemerkenswert ist, dass die SPÖ so gar nichts aus der Geschichte lernt und jene Ränkespiele übernimmt, die einst die ÖVP fast in den Ruin getrieben hätten. Obmannabsägen war in der Volkspartei eine äußerst beliebte Beschäftigung der schwarzen Landeshauptleute.

Die SPÖ steht nun jedenfalls an der Weggabelung: Entweder hilft die verschworene Männerrunde der Vorsitzenden, die Schwächen der Partei zu beseitigen, oder sie nominieren endlich einen aus ihren Reihen, der glaubt, die SPÖ besser führen zu können. Dazwischen gibt es nicht mehr.

Ein Blick nach Graz, das bald wählt, sollte Menetekel genug sein: Die SPÖ, dort einst eine stolze Bürgermeisterpartei, könnte aktuellen Umfragen zufolge sogar unter zehn Prozent fallen. (Walter Müller, 7.7.2021)