Der Trend in Europa geht nach rechts, in Richtung Viktor Orbán und Jarosław Kaczyński, heißt es allgemein. Das mag stimmen. Aber nicht immer und nicht überall.

Ein überraschend deutliches Signal für Toleranz und Liberalität bildete vor kurzem die eindeutige Verurteilung des ungarischen Antihomosexuellengesetzes durch die Europäische Union. Selbst das in Menschenrechtsfragen nicht wirklich verlässliche Österreich stimmte – mit einiger Verspätung – dafür.

Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist in EU-Europa ein No-Go.
Foto: EPA/OLIVIER HOSLET

Wer sich erinnert, wie sehr noch vor einigen Jahren Homosexualität hierzulande abgelehnt und als "nicht normal" verschrieen wurde, kann nicht umhin, sich über diese Trendwende zu wundern und sie dankbar zu begrüßen.

Immer wieder kam es damals vor, dass gleichgeschlechtlich empfindende Menschen sich in unglückliche Scheinehen flüchten mussten, aus Angst davor, "was die Leute sagen". Es gab nicht wenige Familientragödien ("Du bist nicht mehr unser Sohn"). Und sogar etliche Selbstmorde von Menschen, die mit ihrem Schicksal nicht zurande kamen. Von der hundertprozentigen Verdammung der praktizierten Homosexualität durch die katholische Kirche ganz zu schweigen.

Die Entkriminalisierung dieses "Delikts" in den Kreisky- und Broda-Jahren war ein wichtiger Schritt zur Normalisierung. Aber bis diese Normalisierung auch von der öffentlichen Meinung akzeptiert wurde, dauerte es noch eine Weile. Heute ist es so weit.

Richtige Richtung

Nach wie vor tun sich viele schwer mit der zungenbrecherischen Buchstabenkombination LGBTQI. Nach wie vor sind viele Eltern nicht begeistert, wenn Sohn oder Tochter sich als gleichgeschlechtlich outen. Aber die meisten sagen dann: Na gut, Hauptsache, die Kinder sind glücklich. Und auch die Omama zuckt nicht mehr zusammen, wenn der Enkel ihr einen jungen Mann vorstellt und erklärt: Und das ist mein Partner, nächste Woche heiraten wir.

Die Politik hat ebenfalls schon lange ihren Frieden mit der neuen Situation gemacht. "Ich bin schwul, und das ist gut so", lautete der mittlerweile historische Satz des einstigen Berliner SPD-Bürgermeisters Klaus Wowereit. Mittlerweile findet niemand mehr etwas dabei, wenn auch, wie in Deutschland, der Gesundheitsminister Jens Spahn, ein Regierungsmitglied einer konservativen Partei, bekennender Homosexueller ist. Überall gibt es Regenbogenparaden, mit Polizeischutz. In der katholischen Kirche ticken die Uhren in Osteuropa anders als in Westeuropa. Aber in Wien weht auf dem Turm der Ruprechtskirche die Regenbogenfahne, und niemand protestiert.

Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist in EU-Europa ein No-Go. In Sachen Ausländer, Migranten, Asylwerber, Flüchtlinge ist die Sache leider nicht so eindeutig. Da hört und liest man nach wie vor Hetzparolen, die, wenn es sich um Homosexuelle handeln würde, längst nicht mehr toleriert würden. Aber die jüngste Entschließung der EU gibt Hoffnung. Die öffentliche Meinung kann sich auch verändern. Manchmal in die richtige Richtung. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 8.7.2021)