Das AMS sperrte in den vergangenen Jahren tendenziell öfter das Arbeitslosengeld. Das liegt aber nicht an strengeren Sanktionen.

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Auf den ersten Blick ist der Befund eindeutig. Österreichs Jobsuchende werden immer arbeitsunwilliger, und das AMS wird immer strenger. Das legen die folgenden Zahlen nahe: Im Jahr 2015 gab es rund 100.000 Fälle, in denen das AMS seinen Kunden das Arbeitslosengeld gesperrt hat. In den drei Jahren davor war es ein ähnlicher Wert. Seither nimmt aber die Zahl der Sanktionen stetig zu. 2019, im Jahr vor der Pandemie, wurden 145.000 Sperren ausgesprochen, also um ein Drittel mehr.

Die Zahl der Arbeitslosen ist im selben Zeitraum stetig zurückgegangen. Aber was steckt hinter diesem Trend? Aktuell wird in Österreich darüber diskutiert, ob es mehr Druck auf Arbeitslose geben soll, weil viele Unternehmer beklagen, dass sie offene Stellen aktuell nicht besetzen können. Sind die AMS-Sperren tatsächlich ein Beleg, dass es ein größer werdendes Motivationsproblem gibt?

Entwicklung folgt der Konjunktur

Nein. Tatsächlich folgt die Entwicklung vielmehr der Konjunktur. Läuft es in der Wirtschaft gut und bieten Unternehmen besonders viele Jobs an, muss das AMS deutlich mehr Menschen vermitteln. Damit steigt auch die Zahl der Sperren. Als Folge der Weltwirtschaftskrise war der Jobmarkt für heimische Verhältnisse bis 2015 in einem schlechten Zustand – danach ging es bergauf.

Das hatte eben zur Folge, dass die Zahl der Sperren wegen Vereitelung von Jobaufnahmen deutlich gestiegen ist. Diese steigende Tendenz dürfte sich auch 2021 fortsetzen. 2020 gab es bloß pandemiebedingt einen Einbruch bei den Sperren, weil die Zahl der offenen Stellen und damit die Vermittlungsversuche einbrachen.

Wann es Sperren gibt

Aber welche Sanktionen verhängt das AMS genau? Gut erklären lässt sich das am Beispiel aktueller Zahlen: Im ersten Halbjahr 2021 wurden knapp 51.0000 Sanktionen ausgesprochen. Knapp 10.000 davon wurden ausgesprochen, weil ein Jobsuchender eine Kontrollmeldung verabsäumt hat, öfter kommt das vor allem bei Jugendlichen vor. Diese Art der Sperre ist meist nur kurz. Wenn sich der AMS-Kunde wieder beim Betreuer meldet, wird die Sperre aufgehoben. Ein weiterer großer Teil der Sanktionen, gut 12.000, werden zwar in der Statistik mitgezählt, betreffen aber eigentlich keine echten Sperren: Wer selbst kündigt, hat im ersten Monat keinen Anspruch auf AMS-Geld.

Übrig bleiben im ersten Halbjahr noch rund 29.000 Fälle, in denen es um echte Verweigerer geht. Ein häufiger Fall ist, dass Arbeitssuchende für begrenzte Zeit, sechs Wochen, ihre Ansprüche verlieren, weil sie bewusst eine Arbeitsaufnahme vereitelt haben. Bewusstes Vereiteln ist, wenn jemand einen zumutbaren Job nicht annimmt. Freilich stellen sich in der Praxis oft komplexe Abwägungsfragen. Zunächst gibt es gute Gründe dafür, dass jemand einen Job verweigert. Diese sind im Gesetz festgehalten: etwa wenn Betreuungspflichten für minderjährige Kinder entgegenstehen oder der Arbeitsort weit entfernt liegt und der Arbeitgeber keine Unterkunft anbietet.

Eine andere Wahrheit ist, dass es in der Praxis schwer sein kann nachzuweisen, dass jemand arbeitsunwillig ist. Ein AMS-Mitarbeiter bringt es so auf den Punkt: "Die Frage ist dann: Ist der blöd oder stellt sich der blöd?" Wenn Jobsuchende auf ihre Bewerbungen draufschreiben, dass sie sich nur melden, weil das AMS ihnen das aufgetragen hat, ist das ein klarer Grund für eine Sperre. Wenn sich aber jemand im Bewerbungsgespräch unter seinem Wert verkauft, kann das AMS im Regelfall gar nichts machen.

Was ist Absicht?

Manche treiben das freilich zu weit: So erzählt man sich im AMS die Geschichte eines Kochs, der beim Vorstellungsgespräch gemeint habe, er müsse seine Ratte mangels alternativer Betreuung in die Arbeit mitnehmen. Das AMS sperrte ihm das Arbeitslosengeld, der Fall landete sogar vor Gericht.

Repräsentativ sind solche Fälle aber nicht. Beharrliche Verweigerung gibt es nämlich nur selten. Das erzählen nicht nur AMS-Betreuer, das lässt sich auch aus der Statistik herauslesen. Wer dreimal einen zumutbaren Job verweigert, verliert seinen Anspruch auf Arbeitslosengeld komplett. Das kommt aber nur selten vor, gerade 423 solcher Fälle gab es im ersten Halbjahr 2021.

Häufig hingegen sind kurze Sperren, weil jemand unentschuldigt einem Qualifizierungskurs fernbleibt. Wer aber einen Tag fehlt, bekommt für einen Tag weniger Geld. (András Szigetvari, 8.7.2021)