Sozialexperte Martin Schenk kritisiert unter anderem, dass in Kärnten der Verwaltungsaufwand für die Kürzungen deutlich mehr kostet, als die Einsparungen bringen.

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Wien – Die Armutskonferenz fordert eine Gesamtreform der Sozialhilfe und kritisiert deutliche Härten beim Nachfolger der Mindestsicherung. "Die negativen Auswirkungen auf Menschen mit Behinderungen, auf Wohnen, Frauen in Not, Gesundheit, Kinder und Familien sind massiv", kritisierte Sozialexperte Martin Schenk bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Familien mit mehreren Kindern würden benachteiligt.

Beschlossen wurde das von den Ländern umzusetzende Sozialhilfe-Rahmengesetz noch von der türkis-blauen Koalition im April 2019. Die damit verbundenen Abschaffung der Mindestsicherung wertet die Armutskonferenz als Rückschritt in der Armutsbekämpfung.

"Statt in einer Krisensituation Schutz zu bieten, führt das Gesetz zu einer Ausbreitung der Not", sagte Schenk mit Verweis auf Fallbeispiele in Nieder- und Oberösterreich sowie Salzburg. Verwiesen wird außerdem auf Zahlen aus Kärnten, wonach der für die Kürzungen nötige Verwaltungsaufwand von 1,06 Millionen Euro die Einsparungen von 360.000 Euro deutlich übersteige.

Richtsatz sinkt

Kritik gab es auch an der Benachteiligung von Familien. Je mehr Kinder eine Familie hat, desto weniger Geld pro Kind erhält sie nämlich. So sinkt der Richtsatz von 25 Prozent über 20 Prozent bei zwei und 15 Prozent bei drei Kindern auf zwölf Prozent bei fünf oder mehr Kindern. Und zwar auch dann, wenn gar nicht alle Kinder Mindestsicherung beziehen, wie Barbara Bühler vom niederösterreichischen Armutsnetzwerk kritisiert. Auch die Unterbringung in Notwohnungen könne für Frauen zum Problem werden. Und zwar dann, wenn, wie in Niederösterreich, eine mit drei Frauen belegte Notwohnung als "Wohngemeinschaft" gewertet und die Mindestsicherung für die dritte Frau gekürzt werde.

Ohnehin liege die durchschnittliche Bruttomiete in Niederösterreich bei 509 Euro – der Wohnbedarf der Mindestsicherung für eine Alleinstehende aber nur bei 379,78 Euro, kritisierte Bühler: "Nicht nur in der Landeshauptstadt St. Pölten ist ein Zuhause deshalb für viele kaum noch leistbar." (APA, 7.7.2021)