Heftiges Feiern bei der Eröffnungspremiere, Kálmáns "Csárdásfürstin".

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In Mörbisch, bei den Seefestspielen, diskutiert man recht skurril darüber, ob in Zukunft Musical oder doch Operette im Zentrum stehen soll. Für 2022 scheint das Match The King And I gegen Die lustige Witwe von Franz Lehár anzustehen. In Bad Ischl ist das kein Thema. Schließlich gestaltet man Programme unter dem Label Lehár Festival und hat heuer gleich zwei Operettenjubiläen zu bedenken. Bejubelt wird der eigene 60er und der 150. Geburtstag von Franz Lehár.

Lehár, der neben Oscar Straus, Emmerich Kálmán und Leo Fall als Glanzkomponist der Silbernen Operettenära gilt, hatte seinen 150er zwar schon am 30. April 2020. Corona-bedingt wurde aber auch dieses Festival zur Untätigkeit verpflichtet. Diesmal holt man quasi mit drei Premieren nach – mit dabei ist die Uraufführung von Dein war mein ganzes Herz von Jenny W. Gregor, das sich der Person Lehár widmet.

"Fast alles, was Lehár in dem Stück sagt, sind authentische Zitate", so Intendant Thomas Enzinger, "aber das Stück ist keine Dokumentation. Jenny W. Gregor hat eine besondere Form entwickelt – Theater ist immer auch Überhöhung. Aber mit Sicherheit ist das neue Stück keine Versüßung."

Keine Abgrenzung vom Fan Hitler

In manchen Punkten der Biografie wäre das auch unangebracht. Der 1948 in Bad Ischl verstorbene Komponist hatte in Adolf Hitler einen Fan, gegen den er sich nicht abgegrenzt hat. Im Rückblick wurde klar, dass sich Lehár mit dem Regime tatkräftig arrangierte und wohl auch aus Sorge um seine jüdische Gattin, die zur "Ehrenarierin" erklärt wurde, in ein zweifelhaftes Verhalten schlitterte. Nach dem Krieg stellte er sich als unpolitisch dar oder schwieg zum Thema Opportunismus.

"Möglicherweise", so Enzinger, "trifft der Satz aus seinem Stück Das Land des Lächelns auch auf Lehár zu: ,Doch wie’s da drin aussieht, geht niemand was an!‘" Natürlich würde Enzinger, der die Eröffnungspremiere, Emmerich Kálmáns Csárdásfürstin, inszeniert, den Komponisten gerne fragen, "was er aus heutiger Sicht anders machen würde in seinem Leben." Verständlich.

"Operette heutig inszeniert"

Lehár Zarewitsch inszeniert jedenfalls Isabella Gregor, was die Frage aufwirft, ob Frauen anders als Männer inszenieren: "Ich habe nie in diesen Kategorien gedacht. Ich denke, jede Regisseurin und jeder Regisseur ist eine eigene Persönlichkeit – mit eigenem Stil. Männer können genauso einen weiblichen Blickwinkel haben und umgekehrt. Für Gregor sind die Psychologie der Figuren und die Dynamik sehr wichtig. Perfekt für dieses Werk."

In diese Richtung tendiert auch das Festivalkonzept: "Es geht darum, Wege zu finden, wie Operette heutig inszeniert werden kann. Dafür braucht es auch die renommiertesten Spezialisten für dieses Genre." Und wohl auch das Thematisieren von Lehárs Biografie, die eben ein paar tragische, aber deutlich fragwürdige Aspekte aufweist. (Ljubiša Tošic, 9.7.2021)