Nicht nur für die Geschmacksknospen, sondern auch etwas fürs Auge: Romanesco.
Foto: Nathanael Prunet

Dieser Karfiol-Verwandte ist nicht nur schmackhaft und gesund, sie verirrt sich auch manchmal in Blumensträuße: Der Romanesco, der einen besonders hohen Vitamin-C-Gehalt hat, beeindruckt zusätzlich durch seine attraktiven, spiralförmigen Knospen. Ein Forschungsteam berichtet nun im Fachmagazin "Science", die Mutation gefunden zu haben, die für diese Form verantwortlich ist.

Das fast hypnotische Muster des dekorativen Kohls wiederholt sich immer weiter in sich selbst, je genauer man hinschaut – ein Phänomen, das als Fraktal bezeichnet wird. Es lässt sich an vielen Beispielen in der Natur demonstrieren – die gelben Blüten in der Mitte eines Gänseblümchens zeigen etwa ebenfalls Fraktale – und fasziniert Mathematikerinnen und Mathematiker spätestens seit Benoît Mandelbrot. Auch wenn man Brokkoli betrachtet, erkennt man im Detail die übergeordnete Form wieder.

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Beim Romanesco sieht das Ganze noch symmetrischer und faszinierender aus. Denn jedes "Türmchen" oder "Röschen" ist noch dazu eine sogenannte Fibonacci-Spirale. Das bedeutet, dass kein Röschen senkrecht über einem anderen wächst. Für die Pflanze hat das den Vorteil, dass die Oberfläche besonders gut mit Licht versorgt wird, was für die Fotosynthese praktisch ist.

Biologie trifft Mathematik

Aber wie kommt es, dass das Gewächs diese Formen ausbildet? Das hat ein internationales Team um Christophe Godin vom Labor für Pflanzenreproduktion und -entwicklung der Universität Lyon nun bis ins Detail erforscht. Dafür wurden experimentelle Analysen mit einer Blumenkohl-ähnlichen Mutante des klassischen Modellorganismus Arabidopsis thaliana durchgeführt. Diese Methoden der Pflanzenbiologie kombinierten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter mit mathematischer Modellierung.

Bei Blumenkohlarten – insbesondere beim Romanesco – handelt es sich um Knospen, die eigentlich zu Blüten werden sollen, dieses Ziel aber nicht erreichen. Stattdessen bilden sich Stämmchen – die wiederum Anlagen für Blüten besitzen, die sich aber nicht ausbilden können. Dieser Prozess geht bis in die kleinsten Formen so weiter. Der kurze "Einbruch" der Knospen in einen blühenden Zustand beeinflusst ihre Funktionsweise: So wachsen sie im Gegensatz zu normalen Stängeln ohne Blätter und vermehren sich extrem oft.

Der Turbo macht den Unterschied

Den Unterschied zwischen Karfiol oder Brokkoli und dem Romanesco macht die Geschwindigkeit aus, mit der neue Knospen produziert werden. Diese wird durch eine Genmutation verursacht. Ist die Produktionsrate bei den meisten Blumenkohlsorten konstant, legt der Romanesco den Turbo ein: Seine Stämmchen produzieren immer schneller neue Knospen. Dadurch ergeben sich die pyramiden- und spiralförmigen Röschen.

Der Romanesco, der in der Nähe von Rom gezüchtet wurde und daher seinen Namen erhalten hat, ist damit ein gutes Beispiel dafür, wie die Zucht und Domestizierung von Pflanzen dafür sorgt, dass immer öfter ungewöhnliche Formen in Supermarktregalen landen. So wird eine Störung im Gennetzwerk, das für die Blütenbildung verantwortlich ist, zu einer für uns besonders ansprechenden Gemüseform. (sic, 9.7.2021)