Heinz-Christian Strache muss auf sein Urteil mindestens bis Ende August warten

Foto: Fischer

Karl-Heinz Strache: Der Versprecher von Richterin Claudia Moravec-Loidolt könnte picken bleiben. Tatsächlich war Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache nach Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser der prominenteste Politiker, der sich vor Gericht gegen Korruptionsvorwürfe verteidigen musste. Dementsprechend groß war zu Prozessbeginn letzten Dienstag die mediale Aufmerksamkeit – mehrmals wurden die Fotografen gebeten, auf der Jagd nach dem besten Bild doch bitte nicht auf die Stühle im Saal zu steigen.

Mit dem Abend auf Ibiza im Juli 2017 haben die Vorwürfe rund um Unterstützung für eine Privatklinik nicht viel zu tun. Dennoch war der feuchtfröhliche Abend eine erste Erschütterung, die später einen Hurrikan in der österreichischen Politik auslöste. Auf der Partyinsel erklärte der damalige FPÖ-Chef der falschen Oligarchennichte, Novomatic zahle alle – eine Aussage, die er später zurücknahm und die auch vom Glücksspielkonzern bestritten wird. Die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sahen darin aber zwei Jahre später, nach Erscheinen des Videos, ein Indiz für Korruption rund um die Casinos Austria AG. Es folgten Hausdurchsuchungen samt sichergestellten Smartphones, die eine Goldgrube für Ermittler waren.

Auf Straches Handy fanden sie intensive SMS-Kommunikation mit Walter Grubmüller, einem "vermögenden Freund", wie Strache ihn gegenüber anderen FPÖ-Politikern vorstellte. Grubmüller war einst Motorradfahrer, stieg dann ins Wettgeschäft ein – und wurde tatsächlich von Novomatic bezahlt: als diese nämlich die von ihm gegründete Firma Admiral Sportwetten übernahm. Aber das ist nur eine kuriose Randnotiz. In den Chats mit Strache ging es nicht ums Glücksspiel, sondern um die Gesundheitsbranche. Grubmüller hatte "für seine Tochter" die Privatklinik Währing erworben, mit der wollte er in einen Fonds, durch den Versicherungen ihre Dienstleistungen direkt bei den Krankenkassen verrechnen können. Strache wollte helfen, unter Türkis-Blau geschah das auch. Im Gegenzug stehen Parteispenden und gemeinsame Urlaubsreisen. Ein Urteil gibt es noch nicht, der Prozess wird im August fortgesetzt, weitere Zeugen sollen einvernommen werden. Dennoch lassen sich bereits ein paar Lehren ziehen:

1. Der Prikraf ist ein Monstrum

Viel Zeit im Prozess verwendete Richterin Moravec-Loidolt darauf, das System Prikraf erklärt zu bekommen. Der Privatkrankenanstalten-Finanzierungsfonds ist tatsächlich so kompliziert, wie sein Name vermuten lässt. Eine sehr versimpelte Erklärung: Wenn Patienten in ein öffentliches oder gemeinnütziges Spital gehen, müssen sie ihre Behandlung nicht selbst bezahlen. Das übernimmt der jeweilige Landesgesundheitsfonds, der aus Sozialversicherungsbeiträgen gespeist wird.

Wer in eine Privatklinik geht, bekommt jene Behandlungen ersetzt, die er auch in einem öffentlichen Spital erhalten würde. Ist die Klinik Mitglied des Prikraf und hat einen Zusatzvertrag, kann darüber verrechnet werden. Ist sie das nicht, muss der Patient selbst bezahlen, dann kann er die Rechnung bei der Sozialversicherung einreichen – ähnlich wie bei einem Wahlarzt. Aus Sicht der Privatkliniken ist es natürlich ein Vorteil, im Prikraf zu sein, weil es die Abrechnung für ihre Patientinnen und Patienten massiv erleichtert. Allerdings ist der Fonds in seiner Konstruktion ein starres Vehikel: Seine Mitglieder sind gesetzlich ebenso fix geregelt wie die Summe, über die er verfügt. Stößt eine neue Klinik in den Prikraf, erhalten alle anderen weniger Geld für ihre Leistungen. Deshalb war die Position des Fachverbands in der Wirtschaftskammer: Neue Mitglieder gibt es nur, wenn auch der Fonds an sich erhöht wird.

2. Hehre Ziele oder Korruption?

Wer eine neue Privatklinik gründet oder übernimmt, so wie Walter Grubmüller, ist also in einer recht aussichtslosen Ausgangsposition. Er muss nun einerseits die Branchenvertreter im Fachverband überzeugen, in den Prikraf gelangen zu können, andererseits aber auch die Politik, damit der Prikraf erhöht wird. Genau das beschrieb Grubmüller vor Gericht: Er habe jahrelang mit Klagen, Büchern (Tango korrupti) und Lobbying dafür gekämpft, in den Prikraf zu kommen. Blockiert habe das vor allem Fachverband-Obmann Julian H., der auch Manager des größten Privatklinikenbetreibers ist, der Uniqa-Tochter Premiqamed.

Eingesetzt für ihn habe sich erst Heinz-Christian Strache. Der führte vor Gericht aus, dass der Kampf gegen Ungerechtigkeiten und die "überbordende Macht" der Wirtschaftskammer stets ein Kernanliegen der FPÖ gewesen sei. Grubmüller habe da als Beispiel gut gepasst, deshalb habe man als Oppositionspartei mit ihm eine Pressekonferenz abgehalten und einen Initiativantrag zur Öffnung des Prikraf gestellt. Allerdings, und das ist der Knackpunkt, erfolgte all das nicht ohne Avancen Grubmüllers. Der Millionär spendete zweimal an die FPÖ: Bekannt war eine Spende von 10.000 Euro im Wahljahr 2017. Überrascht wurden Strache und Grubmüller von der WKStA, die eine Spende über 2.000 Euro im Jahr 2016 ausgegraben hatte. Erst meinte Grubmüller, da müsse er wohl betrunken gewesen sein, weil er sich nicht erinnere – am nächsten Verhandlungstag räumte er die Spende ein.

Dazu kommen Reisen: 2016 war das Ehepaar Strache bei Grubmüller auf Korfu; der Rückflug erfolgte in dessen Privatjet, wobei Strache den Flug selbst bezahlt haben will. 2018 lud Grubmüller Strache erneut ein, der kam aber nicht. Im selben Jahr soll Grubmüller auch eine Spende für die EU-Wahl angeboten haben. Haben diese Vorteile Strache dazu bewogen, für Grubmüller in puncto Prikraf tätig zu werden? Die WKStA argumentiert dahingehend. Sie spricht von einer "schweren Straftat" und wirft Strache Bestechlichkeit, Grubmüller Bestechung vor. Deren Anwälte argumentierten, es gebe keinerlei Verbindung zwischen Parteispende, Freundschaft und politischen Positionen der FPÖ.

Wie so oft bei Parteispenden ist es ein Henne-Ei-Problem: Werden Positionen erarbeitet, um Spendern zu gefallen? Oder sind diese Positionen ideologisch und sachlich begründet und es wird gespendet, weil den Unternehmern die politischen Positionen gefallen?

3. Auch die ÖVP gerät unter Druck

Die Einflussnahme Grubmüllers auf die FPÖ war für die Richterin nach vier Verhandlungstagen noch nicht ausreichend geklärt: Sie will vier weitere Zeugen befragen, darunter den Abgeordneten Johannes Hübner, der sich rechtlich im Auftrag Straches mit dem Prikraf beschäftigt hat.

Abseits dessen finden aber auch Ermittlungen im Umkreis der ÖVP statt: Beschuldigt sind Manager der Uniqa-Tochter Premiqamed wie Julian H. und Ex-Finanzminister Hartwig Löger, der einst im Uniqa-Vorstand und Premiqamed-Aufsichtsratsvorsitzender war. Auch hier geht es um Spenden: Die Premiqamed überwies der ÖVP zweimal Geld. Zuerst 25.000 Euro im Dezember 2017, dieselbe Summe dann nochmals im Sommer 2018.

Die WKStA setzt das in Verbindung mit zwei Ereignissen: mit Hartwig Lögers Ernennung zum Finanzminister und dem türkis-blauen Regierungsprogramm Ende 2017, dann mit der türkis-blauen Gesundheitsreform samt Erhöhung des Prikraf, die im Sommer 2018 im Ministerrat beschlossen wurde. Davon soll auch die Premiqamed mit ihren Privatkliniken profitiert haben.

Nun gerät die Art und Weise, wie diese Spenden zustande gekommen sind, in den Fokus der Ermittler. Laut Einvernahmen, die dem STANDARD vorliegen, sprach der Wiener Wirtschaftskammer-Obmann Walter Ruck Ende Mai 2017 bei einem Mittagessen mit Julian H. über eine Spende an die ÖVP. Daraufhin machte sich H. einen Termin bei ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior aus, der am 6. Juli stattfand.

Hier gehen die Erzählungen auseinander: Melchior sagte in seiner Einvernahme, wann und wie viel gespendet werde, obliege stets dem Spender. H. schilderte hingegen, dass Melchior ihn gefragt habe, ob eine Spende von 50.000 Euro möglich wäre. Laut der damaligen Rechtslage mussten Spenden über 50.000 Euro unverzüglich veröffentlicht werden, geringere hingegen erst verspätet im Jahresbericht der Parteifinanzen.

Melchior will sich auf Anfrage nicht dazu äußern. Bislang geht es in den Ermittlungen nicht um Bestechlichkeit und Bestechung, sondern um Untreue: Löger und den Premiqamed-Managern wie Julian H. wird vorgeworfen, das Unternehmen durch die Parteispenden geschädigt zu haben – es gilt die Unschuldsvermutung. Davor und danach habe man nie an politische Parteien gespendet, so Julian H. in seiner Einvernahme. Und die erste Spende kam erst, nachdem Melchiors Büroleiter die Premiqamed im Dezember 2017 dazu aufgefordert hatte. (Fabian Schmid, 9.7.2021)