Lässt sich der Lebenszyklus eines Wertpapiers auf einer Blockchain abbilden? Diese Frage klärt derzeit die OeNB mit vier Partnern.

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Die Blockchain wird die Finanzwelt revolutionieren. Vollmundige Ankündigungen über das Potenzial der Technologie, die etwa hinter der Kryptowährung Bitcoin steht, gab es viele, ebenso Vorstoße einzelner Anbieter. Allein, auf breiter Basis hat sich nicht viel bewegt. Das kann sich ändern, denn die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) hat für ein Projekt bedeutende Player des heimischen Finanzmarkts ins Boot geholt, um die Zukunftstauglichkeit der Blockchain im Wertpapierbereich ergebnisoffen zu auszutesten.

Worum geht es bei diesem Projekt, bei dem neben der OeNB auch die Kontrollbank-Tochter CSD als zentrale Verwahrstelle für Wertpapiere, die Bundesfinanzierungsagentur als Begeberin österreichischer Bundesanleihen sowie die zwei Großbanken RBI und Erste Group dabei sind? Zunächst soll getestet werden, ob und wie sich die Begebung eines Wertpapiers, etwa einer Staatsanleihe, auf der Blockchain darstellen lässt. Grundsätzlich vermag dies die Technologie, die auf einer dezentralen Datenbank basiert – schließlich wird der gesamte Bitcoin-Bestand über eine Blockchain verwaltet.

Bei dem Projekt Delphi, so der Arbeitstitel, wird getestet, ob dies technisch, rechtlich und wirtschaftlich sinnvoll umsetzbar ist, erklärt Hubertus Hecht von der Kontrollbank-Tochter CSD. "Der Weg ist das Ziel", sagt er, es handle sich um ein Sandbox-Projekt. Damit daraus ein Produkt werden kann, müssen rechtliche und technische Voraussetzungen geklärt werden.

Basisarbeit leisten

Etwas weiter lässt Gernot Prettenthaler, der bei der RBI das Projekt leitet, den Blick schweifen, denn: "Die Fantasie im Bereich Blockchain ist grenzenlos." Zunächst gelte es beim Projekt Delphi, die nötige Basisarbeit zu leisten, inwieweit Wertpapiere über ihren Lebenszyklus auf einer Blockchain abgebildet werden können. Es geht aber nicht darum, etwa eine Anleihe als Token, wie digitale Wertpapiere genannt werden, darzustellen – die Anleihe an sich bleibt in ihrer derzeitigen Ausgestaltung.

Grundsätzlich ist der Test derzeit auf Großanleger zugeschnitten. Damit Transaktionen nicht nur rund um die Uhr, sondern auch fast in Echtzeit ablaufen können, hat die OeNB eine an den Euro gebundene Kryptowährung erstellt, die aber nie die Sandkiste des Projekts Delphi verlassen wird. Warum? Da diese schneller seien und nicht "cashseitig ein Lag entsteht", wie es Prettenthaler bezeichnet.

Sollte es je zur Marktreife kommen, würde entweder in Koordination mit der EZB ein ähnlicher Stablecoin für Transaktionen institutioneller Anleger eingeführt werden – oder womöglich sogar auch der digitale Euro, an dem die EZB derzeit bastelt. Ob sich dieser dafür eigne, hängt Prettenthaler zufolge aber noch von dessen Ausgestaltung ab. Charme hätte diese Vorstellung jedoch, schließlich würde sich das System dann leichter auch auf Privatanleger mit wesentlich kleineren Stückelungen ausrollen lassen.

Nutzen für alle

Gestartet hat die OeNB das Projekt, an dem 20 bis 30 Personen arbeiten, im Sommer des Vorjahrs. Ergebnisse sollen gegen Jahresende vorliegen. Einblick in ein rechtliches Zwischenergebnis gibt Hecht von der CSD, wonach wohl es keiner Gesetzesänderungen bedürfe, da es sich nicht um digitale Assets wie Token handle. Es müssten aber noch technische Fragen geklärt werden. Über die Wirtschaftlichkeit sagt Hecht: "Es muss für die gesamte Wertschöpfungskette ein Nutzen entstehen."

Gegebenenfalls rechnet Prettenthaler damit, dass im Echtbetrieb die Blockchain über mehrere Jahre parallel zum derzeitigen System laufen würde. "Man muss ja auch die Kunden davon überzeugen", betont er. (Alexander Hahn, 13.7.2021)