Wenn das 1-2-3-Klimaticket kommt, werden sich deutlich weniger Menschen mit den insbesondere von Senioren kritisierten komplizierten ÖBB-Ticketautomaten herumplagen.

Foto: Christian Fischer

Wien – In ihrer Verhandlungsrunde am Mittwoch sind einander die Vertreter des Verkehrsministeriums und der Länder der Ostregion in Sachen 1-2-3-Ticket offenbar ein Stück näher gekommen. Zumindest beim überaus heiklen Problem einer drohenden Diskriminierung der Fahrgäste und Berufspendler aus dem Burgenland zeichnet sich nach hitzigen Debatten eine Lösung ab.

Die im Verkehrsverbund Ostregion (VOR) ohnehin längst vereinten Bundesländer Wien, Niederösterreich und Burgenland rücken noch näher zusammen. Niederösterreich und das Burgenland haben sich laut STANDARD-Recherchen auf eine Art tarifliche Verschmelzung verständigt. Nicht generell, signalisierten Sitzungsteilnehmer, aber bei der ersten Stufe des 1-2-3-Tickets, die pro Bundesland eine Netzkarte für alle öffentlichen Verkehrsmittel um 365 Euro vorsieht.

Mehr als 365 Euro, aber ...

Dies allerdings mit einer entscheidenden Einschränkung: Die Öffis beider Bundesländer werden wohl zum Einheitspreis nutzbar sein, nicht aber zum ultrabilligen Einheitstarif von einem Euro pro Tag, den Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) favorisiert. Pendlerinnen und Pendler aus dem Burgenland und Niederösterreich werden für die flächenmäßig und auch hinsichtlich des Verkehrsangebots (Linienkilometer) mit Abstand größte Verkehrsregion Österreichs pro Jahr tiefer in die Tasche greifen müssen als beispielsweise Öffi-Fahrer in Wien oder Vorarlberg.

... weniger als 730 Euro

In Rede steht nun eine Größenordnung von 550 Euro pro Jahr, in der sich das sogenannte "Einser-Ticket" in der Ostregion bewegen dürfte, bestätigt man in Verhandlungskreisen unter Verweis auf die kalkulatorische Schwankungsbreite. Die Jahresnetzkarte werde jedenfalls billiger sein als das Zwei-Bundesländer-Ticket um 730 Euro, aber teurer als die vom Ministerium angestrebten 365 Euro pro Person. Letzter Betrag sei für die gesamte Ostregion schlicht nicht machbar, betont man im Burgenland ebenso wie in Niederösterreich unter Verweis auf die enormen Distanzen zwischen Amstetten und Jennersdorf oder Kittsee und Waidhofen an der Thaya sowie den mit den Flatrates einhergehenden Einnahmenverlusten bei den Verkehrsverbünden.

Weit mehr als 50.000 Burgenländer pendeln in ein anderes Bundesland, viele davon nach Wien.

Mit diesem Mittelweg wäre die vom burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil angedrohte Klage wegen Diskriminierung vom Tisch. Denn billiger als bei der sturen Umsetzung des 1-2-3-Regimes wird es für burgenländische Pendler jedenfalls, sie müssen bei der (täglichen) Fahrt nach Wien nicht mehr auf das gegenüber Wien-Pendlern aus Niederösterreich teurere Dreierticket um 1095 Euro umsteigen (um Niederösterreich zu durchqueren).

Die klassische Zweierstufe (um 730 Euro) fiele mit Einführung der neuen Niederösterreich-Burgenland-Zone um 550 Euro dann weg. Sie käme in modifizierter Form für den gesamten VOR, also Wien, Niederösterreich und Burgenland, mit einem Tarif den Auskenner in einer Größenordnung von 900 Euro angesiedelt sehen. Nichts Genaues weiß man nicht, aber der von überraschend großer Einigkeit zwischen den drei Bundesländern getragene Kompromiss sei im Verkehrsministerium durchaus positiv aufgenommen worden. Die angedachte Teilung Niederösterreichs in Zonen ist damit vom Tisch. Die Reihen zwischen den drei Bundesländern seien geschlossen, wird beteuert.

Ö-Ticket obendrauf

Obendrauf kommt dann noch das Österreich-weite Dreierticket für alle Öffis um 1095 Euro. Auf dieses müssen Bewohner der Ostregion natürlich nicht verzichten, es wird ja vom Bund installiert und je nach Region gewaltige Wanderbewegungen innerhalb der regionalen Tarifschemata der Verkehrsverbünde auslösen.

Unverändert bleibt selbstverständlich auch das 365-Euro-Ticket der Wiener Linien, wobei der Preis vermutlich nicht in alle Ewigkeit in Stein gemeißelt ist. Das vor wenigen Monaten beschlossene entsprechende Gesetz sieht ja, wie berichtet, eine jährliche Valorisierung gemäß Verbraucherpreisindex vor. Das ist nur logisch, schließlich werden U-Bahn und Straßenbahn laufend ausgebaut, was Milliarden kostet.

Kein Ticket darf teurer werden

Auch regionale Streckentarife bleiben erhalten, etwa für die Wiener Umlandgemeinden – frei nach dem Motto: Kein Ticket darf teurer werden. Klar ist mit dieser nunmehr vierteiligen Tarifpyramide freilich auch: Die größte Pendlerregion Österreichs – in der Ostregion ist mehr als die Hälfte aller Berufspendler unterwegs – ist fest entschlossen, alle Stufen gleichzeitig umzusetzen und nicht stückweise, wie das anfänglich gedroht hatte.

Die größte Hürde ist freilich noch zu nehmen: die Abgeltung der Einnahmenverluste beim Verkehrsverbund Ostregion und vor allem mittel- und langfristige Budgetzusagen. Zwei, drei Jahre seien nicht ausreichend. Hier liegt man, wie berichtet, noch extrem weit auseinander: Von den hundert Millionen Euro, die vom Verkehrsministerium als Stütze für alle Einser- und Zweierstufen angekündigt wurden, würden der Ostregion lediglich 43,7 Millionen Euro zufallen, was nicht ansatzweise die prognostizierten Einnahmenausfälle in dreistelliger Millionenhöhe ausgleiche.

Druck kommt übrigens auch zeitlich: Sollte das neue Tarifschema ab Fahrplanwechsel am 12. Dezember gelten, sei bis September eine Einigung notwendig. Die organisatorischen Änderungen im Fahrkartenverkauf seien beträchtlich, heißt es. (Luise Ungerboeck, 10.7.2021)