Diese schwarze Python fand eine 68-jährige Wienerin am Donnerstag in ihrer Toilette.

foto: apa/lpd eien

Wien/Graz/Enns – Michael Mitic, Direktor des Wiener Haus des Meeres, verbrachte zuletzt viel Zeit im Internet. "Dass jemand eine Schlange in einer Kloschüssel vorfindet, kommt sehr, sehr selten vor", weiß er nun. Mehr als "ein paar Fälle in Australien" – mit dort einheimischen Giftschlangen – habe er nicht aufgetan.

Insofern seien die gleich zwei einschlägigen Begebenheiten in den vergangenen Tagen in Österreich, noch dazu jeweils mit Pythons, also ungiftigen Würgeschlangen, "ein absoluter Zufall".

Doppelter Zufall

Tatsächlich aber schlug dieser Zufall zuerst am vergangenen Montag in Graz und dann am Donnerstag in Wien zu. Im ersten Fall, der auch international Wellen schlug, bemerkte ein 65-jähriger Mann die eineinhalb Meter messende Albino-Python erst, als sie ihn von unten in die Genitalien biss; er musste ambulant im Spital behandelt werden.

Die 68-jährige Wienerin hingegen erblickte das schwarze, etwa einen Meter lange Tier rechtzeitig. Sie blieb unverletzt und verständigte die Polizei. Die zog zuerst wieder unverrichteter Dinge ab, denn als die Beamten eintrafen, war die Schlange verschwunden. Drei Stunden später jedoch tauchte sie wieder auf, der Frau gelang es, ein Foto von ihr zu schießen. Mitarbeiter der Wiener MA 49 – Land und Forstwirtschaft – fingen das Tier. Es wurde in den Reptilienzoo Forchtenstein gebracht.

"Feucht, warm und dunkel" unterm Syphon

"Was sucht eine Würgeschlange in einer Klomuschel?", fragt sich nun Mitic, der es sich seit 33 Jahren nicht nehmen lässt, allmorgendlich die Schlangenterrarien im Haus des Meeres zu säubern, und dabei, wie er betont, "kein einziges Mal gebissen wurde".

Das Wasser sei es eher nicht, aber dieses stehe im Syphon ohnehin nur etwa zehn Zentimeter hoch, meint er. Vielmehr liebten es diese Reptilien "feucht, warm und dunkel" – also genau die Bedingungen, die im Rohr unterhalb der Muschel herrschen. "Und wenn ich als Schlange dann irgendwo Licht sehe, dann krieche ich dorthin", mutmaßt der Reptilienexperte.

Für Privathaltung ungeeignet?

Woher die Schlange in der Toilette kam, war im Wiener Fall am Freitag noch unklar. In Graz wurde der Besitzer hingegen rasch eruiert. Der Nachbar war es, der insgesamt elf Schlangen und einen Gecko sein Eigen nennt. Er muss die Tiere nicht hergeben, eine Überprüfung durch das steirische Veterinäramt habe gute Haltebedingungen festgestellt, auch habe er die versäumte Wildtiermeldung nachgeholt, hieß es. Eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen ihn ist jedoch am Laufen.

Derlei vom Veterinäramt geübte Nachsicht findet Veronika Weissenböck von der Tierschutz-NGO Vier Pfoten nicht gut. "Exotische Schlangen und andere Reptilien sind für die Privathaltung prinzipiell ungeeignet", sagt sie. Ihre artgerechte Behandlung setze viel Sachverstand voraus, auch weil sie eine Reihe von Krankheitserregern, etwa Hepatitis oder Salmonellen, auf den Menschen übertragen könnten.

Vier Pfoten fordern bundesweiten Sachkundenachweis

Hinzu komme eine unbefriedigende rechtliche Lage. Neben dem bundesweit geltenden Tierschutzgesetz habe jedes Bundesland eigene Regelungen. Tatsächlich ist es etwa in Wien verboten, Riesenschlangen zu halten, die mehr als drei Meter lang werden können, in Oberösterreich hingegen ist es zum Beispiel erlaubt.

Auch, so Weissenböck, bestehe für exotische Tiere eine Meldepflicht, die allerdings oft nicht eingehalten werde. Die Vier-Pfoten-Expertin fordert einen bundesweiten Sachkundenachweis für Besitzerinnen und Besitzer gefährlicher exotischer Tiere.

Keine Bewilligung für das Halten einer Giftschlange dürfte etwa ein 24 Jahre alter Mann im oberösterreichischen Enns gehabt haben. Er wurde am Mittwoch von seiner eigenen Giftschlange, einer – auch in Österreich heimischen – Hornviper, beim Füttern gebissen und starb wenig später.

Emotional ist bei Schlangen nichts zu holen

Weniger kritisch schätzt Haus-des-Meeres-Direktor Mitic die heimische Schlangenhaltung ein. Das Engagement von Privaten mache hier durchaus Sinn, sagt er: "Viele Schlangenhalter haben einen hohen Sachverstand. Sie leisten für die Arterhaltung der Tiere viel", sagt er.

Wie überall jedoch gebe es auch unter den Reptilienhaltern schwarze Schafe. Völlig verkehrt zum Beispiel sei es, eine Schlange als Haustier zu behandeln, etwa indem man eine Python ohne dringenden Anlass aus dem Terrarium hole, um sie einem Besuch zu zeigen.

Eines nämlich sei ihm nach Jahrzehnten der Reptilienbetreuung klar: "Mit einer Schlange kann man keine Beziehung herstellen. Mit einer Echse – vielleicht. Aber eine Schlange ist und bleibt ein wildes Tier. Da ist emotional nichts zu holen."

Schildkröten im Vormarsch

Doch wie viele Reptilien in Privathaltung gibt es in Österreich überhaupt? Statistiken seien ihm keine bekannt, sagt Werner Stangl, Leiter des steirischen Reptiliennotdienstes. Aus eigenen Erhebungen in der Steiermark wisse er, "dass hier rund 4.500 exotische Reptilien in Haushalten gehalten werden". Davon sei aber nur ein verschwindend kleiner Anteil giftig und gefährlich – und dieser Anteil sinke. "Am allerhäufigsten sind Schildkröten", in der Steiermark rund 2.500 Exemplare.

Österreichweit, so Stangl, werde sich dieses Verhältnis wohl ähnlich darstellen. "Das hängt ganz eindeutig damit zusammen, dass viele Kinder und auch Erwachsene Tierhaarallergien haben. Wenn nun Eltern ihren Kindern Verantwortung für ein Tier übertragen wollen, dann entscheiden sie sich immer häufiger für kleine Reptilien", sagt er. (Irene Brickner, Walter Müller, 9.7.2021)