Es ist ein Relikt aus der Nachkriegszeit: Mit der Kerosinsteuerbefreiung sollte die Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg wieder angekurbelt werden. Seither hat sich das Privileg für den Flugverkehr hartnäckig gehalten. Das will die EU-Kommission nun ändern. Wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und andere Medien berichteten, will die Kommission neue Regeln für Energiesteuern vorstellen – und dabei unter anderem die Luftfahrt in die Pflicht nehmen.

Laut dem der Zeitung vorliegenden Entwurf sollen Staaten verpflichtet werden, die europäischen Mindeststeuern für Energie auch auf Kerosin anzuwenden. Die Steuer soll ab 2023 eingeführt werden und sukzessive steigen. Der geplante finale Steuersatz ist noch nicht bekannt. Betroffen wären nur innereuropäische Flüge, Cargoflüge sollen ausgenommen werden.

ÖVP und Grüne sind dafür

In Österreich stößt das Vorhaben auf offene Ohren: Zusammen mit Belgien und Luxemburg hat die Regierung ein Schreiben an Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschickt, in dem eine "faire Besteuerung" im Transportsektor gefordert wird. Bestehende Steuerausnahmen würden das Klimaziel der EU untergraben, heißt es weiter. Die Regierungen fordern die Kommission daher auf, die Kerosinsteuerbefreiung zu beenden. Laut Klimaschutzministerium wurde das Schreiben sowohl von der grünen Ministerin Leonore Gewessler als auch vom türkisen Staatssekretär Magnus Brunner unterfertigt.

Die EU-Kommission will das Steuerprivileg für Kerosin kippen. In Österreich fällt die Flug-Klimabilanz schlecht aus.
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Eine EU-weite Besteuerung würde aus Sicht der Unterzeichner Innovation fördern und zu einem fairen Wettbewerb innerhalb der Union führen. Sollte sich die EU auf kein gemeinsames Vorgehen einigen können, hätte das ein individuelles Vorgehen der Mitgliedsstaaten zufolge, vermuten die Minister – und würde letztlich dem Binnenmarkt schaden.

Rückläufiger Flugverkehr im Corona-Jahr

Im Corona-Jahr 2020 ist die internationale Luftfahrtbranche zeitweise beinahe zum Erliegen gekommen. Auch in Österreich ging das Passagieraufkommen stark zurück – laut einer Analyse des Momentum-Instituts um rund 74 Prozent. Die Anzahl der in Österreich gestarteten und gelandeten Flüge sank um 64 Prozent.

Zahlen zur Klimabilanz des Flugverkehrs in Österreich gibt es mehrere. In der nationalen Treibhausgasinventur werden nur jene Flüge einberechnet, die in Österreich starten und landen. Diese machen aber nur einen Bruchteil des gesamten Flugverkehrs aus. Darüber hinaus gibt es Werte zum Ausstoß grenzüberschreitender Flüge: 2019 verursachten diese 2,91 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente. Das entspricht aber nicht der tatsächlichen Belastung, erklärt Momentum-Umweltökonomin Anna Pixer. Sie hat sich anhand der am häufigsten beflogenen Destinationen – gewichtet nach Passagierzahlen und Streckenlängen – die ungefähre Treibhausgasbilanz des Flughafen Wiens errechnet.

Der Flughafen Wien bediente 2019 laut Zivilluftfahrtstatistik der Statistik Austria jedoch 87 Prozent aller abfliegenden Passagiere ab Österreich.
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Laut Pixer verursachten allein jene Flüge, die von Wien aus starteten, im Jahr 2019 rund 4,53 Millionen Tonnen an Treibhausgasen. Bei diesem Wert wurde allerdings nicht nur der Ausstoß miteinberechnet, der die durch die Kerosinverbrennung entsteht, sondern auch der Treibhausgaseffekt durch Flüge ab einer gewissen Höhe. Wird dieser Wert, der in der Fachsprache RFI-Faktor genannt wird, mitbedacht und in der Treibhausgasbilanz aufscheinen, wären allein die Abflüge ab Wien für 5,4 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich, erklärt Pixer.

Im Corona-Jahr sank jedenfalls auch dieser Wert: 2020 entstanden durch Flüge ab Wien laut Pixer nur 1,12 Millionen Tonnen CO2. Durch die geringere Anzahl an Passierreisen ab Wien konnten nach Angaben der Ökonomin im Vorjahr mehr Emissionen eingespart werden, als die Grazer Bevölkerung in einem Jahr verursacht. (Nora Laufer, 10.7.2021)