Gefangen im Prikraf: Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (einst FPÖ, links) und Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP, rechts)

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Ein ominöser Vermittler, der bei einem Treffen in der Tiefgarage einen Koffer voll Geld übergibt, um heimlich eine Regierungsentscheidung zu beeinflussen: Von dieser klassischen Vorstellung von Korruption ist man im Strache-Prozess weit entfernt.

Vielmehr klagt die WKStA Dinge an, die vor den Augen der Öffentlichkeit passiert sind: Die FPÖ und Heinz-Christian Strache haben auf einer Pressekonferenz im Wahljahr 2017 öffentlich über vermeintliche Missstände in der Privatklinikenbranche gesprochen, am Podium saß auch der nun angeklagte Privatklinik-Betreiber Walter Grubmüller. Ebenso öffentlich war der Initiativantrag, den die Oppositionspartei im Juni 2017 im Nationalrat eingebracht hat. Gemeldet war auch die Parteispende in der Höhe von 10.000 Euro, die Grubmüller wenig später getätigt hat.

Nicht öffentlich bekannt war vor den Ermittlungen, dass Strache hinter den Kulissen offensiv Stimmung für Grubmüller gemacht hat. "Hallo Walter! Welches Bundes-Gesetz wäre für dich wichtig, damit die Privatklinik endlich fair behandelt wird? Prikraf! Lg", fragte Strache am 23. Oktober 2017. Er kommunizierte mit zahlreichen Entscheidungsträgern, um diese Gesetzesänderung durchzubringen und Grubmüllers Klinik in den Privatklinikenanstalten-Finanzierungsfonds (Prikraf) zu bringen. Die WKStA inkriminiert außerdem Urlaubsreisen von Strache und Grubmüller; hier hat die Verteidigung allerdings Rechnungen vorgelegt. Sie sollen zeigen, dass Strache die Reise selbst bezahlt hat.

Eigentlich war für Freitag schon ein Urteil geplant, Richterin Claudia Moravec-Loidolt hat jedoch einer Erweiterung des Strafantrags stattgegeben. Ende August sollen weitere Zeugen gehört werden, darunter auch der Abgeordnete Johannes Hübner, der sich im Auftrag Straches mit der rechtlichen Situation rund um den Prikraf befasst haben soll.

Kommt es tatsächlich zu einer Verurteilung von Strache und Grubmüller, werden auch in anderen Ermittlungsverfahren die Karten neu gemischt werden – und dann müssen sich vor allem die ÖVP, aber auch andere Parteien Sorgen machen.

Die Parteispende mit Effekt

Die WKStA hat bislang keine eindeutige, glasklare Verbindung zwischen Grubmüllers Parteispenden (2.000 Euro im Jahr 2016, 10.000 Euro Im Jahr 2017) und politischen Vorgängen vorlegen können. Es gibt kein SMS, in dem Grubmüller eine bestimmte Bedingung an seine Spende knüpft, also zum Beispiel sagen würde: "Wenn du den Initiativantrag einbringst, überweise ich dir 10.000 Euro." Einzig eine Nachricht Straches an einen Parteikollegen in der Gesundheitskasse, in der er Grubmüller als "vermögenden Freund" bezeichnete, weist darauf hin.

Klar ist, dass Grubmüller gespendet und von der Politik der FPÖ und Straches Handlungen profitiert hat. Das trifft aber auf viele politische Spender zu, auch im Bereich der ÖVP. Auch hier ermittelt die WKStA rund um den Privatklinikenanstalten-Finanzierungsfonds: Die Premiqamed, größte heimische Betreiberin von Privatkliniken, überwies der ÖVP im Winter 2017 und im Sommer 2018 jeweils 25.000 Euro; insgesamt also knapp fünf Mal so viel wie Grubmüller an die FPÖ. Und auch sie profitierte von der Gesetzesänderung, da Premiqamed-Leistungen ein Drittel der Prikraf-Auszahlung ausmachen.

Während Strache laut eigenen und Grubmüllers Aussagen vorab nichts von der Parteispende wusste; soll ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior laut Aussage eines beschuldigten Premiqamed-Managers um die konkrete Summe von 50.000 Euro gebeten haben, nachdem eine Spendenbereitschaft signalisiert worden war. Während bei Strache und Grubmüller lediglich ein Dankesschreiben als Reaktion auf die Spende vorliegt, schickte ein Mitarbeiter Melchiors dem Premiqamed-Manager am Tag der Regierungsbildung eine Art Zahlungsaufforderung, indem er die Kontodaten der ÖVP per E-Mail übermittelte.

Vermittlungen und der politische Betrieb

Ende August soll im Strache-Prozess geklärt werden, inwiefern der damalige Klubobmann und Parteichef Einfluss auf den Abgeordneten Johannes Hübner wahrnahm, als er ihn um die Prüfung der Prikraf-Konstruktion bat. Auch hier könnten Implikationen für den Politikbetrieb drohen: Dass ein Klubobmann "Einfluss" auf einen Abgeordneten seines Klubs nimmt, liegt in der Natur der Sache.

Strache selbst hatte keine direkte Befugnis, das Prikraf-Gesetz zu ändern: Er war Vizekanzler und für Sport und Beamte zuständig, nicht aber für das Gesundheitswesen. Die damalige Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein gab vor Gericht an, nicht beeinflusst worden zu sein. Fraglich ist also, inwieweit Strache für seine "Vermittlertätigkeit" belangt werden kann oder ob das Gericht ihm eine Art von informeller Macht als Vizekanzler und Parteichef zusprechen kann.

Auch da gibt es Parallelen zu den Ermittlungen rund um die ÖVP: So bedankte sich Premiqamed-Manager und Fachverbands-Obmann H. beim damaligen Finanzminister Hartwig Löger für die Prikraf-Reform. Löger war zuvor Aufsichtsratsvorsitzender der Premiqamed gewesen, einer Tochterfirma der Uniqa. Die Idee zur Spende an die ÖVP wurde noch gefasst, als Löger dort aktiv war. Dessen Anwalt sagt dazu, dass Löger bei den Regierungsverhandlungen, in denen auch Änderungen rund um die Privatkliniken ausgemacht wurden, nicht dabei war. H., sagt, er habe sich nur bedankt, dass Löger als Finanzminister die Prikraf-Erhöhung nicht blockiert habe.

Es wird dauern

Mit einem Urteil von Richterin Moravec-Loidolt, das vermutlich Ende August kommt, wird die Causa wohl noch nicht abgeschlossen sein. Es ist zu erwarten, dass Berufung eingelegt wird. Die Entscheidung ist aber zumindest ein Signal dafür, wie die WKStA in ihren vielen anderen Verfahren rund um das Ibiza-Video vorgehen kann. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung. (Fabian Schmid, 10.7.2021)