Die EU-Kommission will mit ihrem Klimapaket unter anderem den Ausbau von E-Ladestationen schnell vorantreiben.

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Der Autobauer Opel will bis 2028 in Europa nur noch E-Autos anbieten. VW will jedes Jahr zumindest ein E-Modell auf den Markt bringen, und bis 2030 sollen 70 Prozent des Angebots für Europa elektronisch sein. BMW will bis 2030 rund 50 Prozent seiner Modelle elektrisch haben und Daimler ebenso.

Das aus für Verbrennungs- und Hybridmotoren rückt immer mehr ins Zentrum der Autoindustrie. Ganz von selbst kommt diese rasche Umsattelung aber nicht. Die EU-Kommission wird kommenden Mittwoch ihr Klimapaket "Fit-for-55" vorlegen. Es wird erwartet, dass sie darin vorgibt, dass Neuwagen bis 2035 ihren CO2-Ausstoß um 100 Prozent reduzieren müssen. Das kommt einem De-facto-Verbot von Verbrennern gleich.

Mit dem Klimapaket soll das schon beschlossene Ziel erreicht werden, den Ausstoß von Treibhausgas bis 2030 um 55 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken, um den Klimawandel aufzuhalten. Es ist eine Etappe auf dem Weg zur Klimaneutralität der Wirtschaft bis 2050. Bis 2030 sollen nach dem Willen der EU mindestens 30 Millionen emissionsfreie Autos auf die Straße kommen.

Ladestationen ausbauen

Zudem will die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zu einem Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektroautos verpflichten. Bis Ende 2025 soll entlang der wichtigsten europäischen Schnellstraßen alle 60 Kilometer eine leistungsstarke Ladestation steht. Fünf Jahre später das auch für das erweiterte Schnellstraßennetz der EU gelten, also Autobahnen und auch wichtige Bundesstraßen sollen dann mit E-Ladestationen flächendeckend ausgestattet sein. Zudem sollen die Länder sicherstellen, dass es für den Schwertransport alle 150 Kilometer eine Wasserstofftankstelle gibt. Auch das ist Teil des EU-Klimapakets.

So verständlich der Ruck Richtung E-Mobilität auch ist. Experten, wie etwa der Ökonom Bert Rürup, weisen darauf hin, dass Brüssel nach wie vor einem Irrglauben bei diesem Thema unterliegt – denn Elektromotoren sind nicht frei von Klimagas-Emissionen. Solange der Strom für die E-Autos als Quelle Kohle- oder Gaskraftwerke beziehungsweise Atomkraftwerke haben, wirke sich das auf die CO2-Bilanz aus. Die seltenen Erden für die Herstellung der Batterien samt deren fachgerechter Entsorgung sind ebenso Themen, an der die Branche für ihre Nachhaltigkeitsbilanz ansetzen muss.

Der CO2-Ausstoß bei E-Pkw, inklusive Fahrzeug- und Batterieherstellung, sei aber um 77 Prozent niedriger als von Diesel- und Benzin-Fahrzeugen. Das hat der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) errechnet und bezieht sich dabei auf Daten des Umweltbundesamts.

Erstmals mehr als zehn Prozent E-Autos

Auch die Bevölkerung fährt immer mehr auf Alternativ-Antriebe ab. Von Jänner bis Ende Juni lag der Anteil der alternativ angetriebenen Pkws sogar vor den dieselbetriebenen Autos. Der Anteil der Elektroautos überstieg erstmals die Zehn-Prozent-Marke, wie die aktuellen Daten der Statistik Austria zeigen. Mit 134.396 neu zugelassenen Personenkraftwagen lag die Zahl in Summe zwar um 19,2 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, aber um 23,6 Prozent unter dem gleichen Zeitraum 2019. Das zeigt, dass die Autobranche in Summe zu kämpfen hat.

Einerseits fehlen den Herstellern wichtige Vorprodukte, um der gestiegenen Nachfrage nachkommen zu können. Und dann ist da eben noch die Sache mit dem Strategiewechsel. Dietmar Schäfer, Vorsitzender der ARGE Automotive Zulieferindustrie, fürchtet das EU-Klimapaket. Er könne sich nicht vorstellen, dass man innerhalb einer Frist von eineinhalb Jahrzehnten nur von Nichtverbrennern rede, sagte Schäfer. Derzeit würden jährlich 80 bis 90 Millionen Fahrzeuge mit Verbrennern ausgestattet. "Ich hoffe, dass nicht so heiß gegessen wie gekocht wird", sagte Schäfer.

"Vermisse Ehrlichkeit"

Bei den Ökobilanzen von Batterien und der Strombilanz in verschiedenen Ländern vermisse er Ehrlichkeit. Würden weniger Autos gebaut, spüre das auch die Zulieferbranche, etwa bei Beschäftigungsverhältnissen. Der Sektor mit mehr als 25 Milliarden Euro Produktionswert zählt hierzulande 81.700 direkte Jobs und sichert indirekt mehr als 193.000 Arbeitsplätze. "Wir haben ein Klima- und ein Mobilitätsthema", das sollte man auseinanderhalten, so Schäfer. Die spezifischen Emissionen seien über die Jahre stark gesunken, aber das Mobilitätsbedürfnis gestiegen. Ein Umstieg auf die Bahn und andere Öffis sei "schon vor Jahrzehnten gescheitert". Man habe es nicht einmal geschafft, Waren auf die Gleise zu bekommen, das werde wohl auch mit dem Individualverkehr nicht funktionieren.

Widerstand schon programmiert

Noch bevor am Mittwoch die Details zum Klimapaket (das zwölf Einzelgesetze bringen wird) vorgelegt werden, wird Kritik laut. Denn Kernpunkt ist die Einführung eines CO2-Aufschlags für Benzin und für Heizöl – etwas, was Millionen von Europäer direkt in der Geldbörse spüren werden. Die Angst vor Protesten nach Art der Gelbwesten in Frankreich geht um. "Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen", sagt ein EU-Vertreter, der nicht namentlich genannt werden will. "Das ist ein großes Risiko für den Willen der Bevölkerung, bei dieser Veränderung mitzuziehen." Vor allem ärmere Menschen würden von den höheren Preisen belastet. "Der Schlüssel für die Akzeptanz dieser CO2-Abgabe wird sein, dass wir einen sinnvollen und sozialen Ausgleich schaffen", fasst Andreas Graf, Brüsseler Experte der Denkfabrik Agora, die Problematik zusammen. (Bettina Pfluger, 11.7.2021)