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Günter Wallraff – nur so als ein Beispiel – hat keine Problem damit, von sich als Kulturschaffendem zu sprechen.

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Eben noch war man voller Sorge um sie. Als von der Pandemie besonders stark betroffene Berufsgruppe sollten keine Kulturschaffenden zurückbleiben, vollmundete die Regierung. Wie diese Bilanz aussieht, ist noch nicht klar. Doch schon sollen die Kulturschaffenden abgeschafft werden – zumindest diese Bezeichnung.

Der Begriff sei vom Nationalsozialismus geprägt, als "Kulturschaffende" wurden Künstlerinnen und Künstler bezeichnet, die Mitglieder der Reichskulturkammer waren. Wer Kultur schaffen wollte, musste ihr angehören, deren Mitgliedschaft stand aber nur "Ariern" offen.

Die grüne Politikerin Eva Blimlinger möchte ihn deshalb verbannt sehen, die Kulturplattform Oberösterreich hat gar einen Wettbewerb abgehalten, um Alternativen zu finden: Der Begriff "Kulturtätige" siegte, gefolgt von den zart amtsschimmelnden Schöpfungen "Kulturengagierte" sowie "Kulturaktive".

Der Begriff Kulturschaffende steht immer wieder auf diversen Listen, die Wörter und Redewendungen versammeln, die von der nationalsozialistischen Diktion kontaminiert sein sollen. Vieles davon ist richtig und wichtig, manches verwundert. Zum Beispiel, dass der vermeintlich harmlose Artikel "der" mit der Nazi-Ideologie in Zusammenhang gebracht wird: Und zwar dann, wenn er in Zusammenhang mit Angehörigen ungeliebter Nationen steht, wie "der Russe" oder "der Engländer". Dies arbeite der "Dehumanisierung" zu, schreibt der Autor Matthias Heine in seinem Buch "Verbrannte Wörter: Wo wir noch reden wie die Nazis – und wo nicht", und er macht es damit den Kollegen vom Sportressort ziemlich schwer.

Im Leben da draußen ist die Ächtung der Kulturschaffenden noch nicht weit gediehen. Da schaltet die Stadt Wien gerade Impftermine für sie frei, die Unesco setzt sich für sie ein, Schulen werben um sie – der Begriff ist sogar politisch korrekt geschlechtsneutral. Und dann sind da noch die Betroffenen selbst, die sich in gesellschaftlichen Diskussionen scheints problemlos Kulturschaffende nennen, sapperlot.

Vielleicht liegt genau darin eine die Wogen glättende Genugtuung. Denn Künstlerinnen und Künstler, denen der Nationalsozialismus die Zuschreibung als Kulturschaffende verwehrt und sie vielleicht als "entartet" diffamiert hätte, haben sich diesen Begriff längst zurückerobert – und ihn auf diese Weise dekontaminiert. (Karl Fluch, 12.7.2021)