Ausspannen am Wiener Donaukanal bei einem kühlen Bier, günstig erworben – fliegende Bierverkäufer machen es möglich.

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PRO: Echtes Entrepreneurship

von Stefan Mey

Sie sind mittlerweile fester Teil des abendlichen Stadtbilds: junge Menschen, die gekühltes Dosenbier zu niedrigen Preisen direkt zum Sitzplatz des Kunden bringen – etwa am Wiener Donaukanal. Der brave Bürger stellt sich die Frage: Ja, dürfen die das überhaupt? Die Antwort darauf lautet: Nein, dürfen sie

nicht – aber sie sollten es dürfen.

Es stimmt, dass sie weder Steuern noch Kammerumlage zahlen. Dennoch sind diese Menschen genau das, was das Land braucht. Während man sich beklagt, dass es Österreichern an Wirtschaftswissen mangelt, setzen sie Fachbereiche wie Einkauf, Verkauf und Logistik in der Praxis um. Sie sind Entrepreneure in einer liberalen Parallelwelt und bieten durch die Lieferung eines kühlen 16er-Blechs direkt zum Sitzplatz einen Service, mit dem die etablierte Gastronomie selten mithalten kann. Wer steht schon gerne an der Bar in der Warteschlange?

Diese Diskrepanz zwischen Alt und Neu kennt man, nämlich vom Verdrängen alter Unternehmen durch Techkonzerne mit innovativen Modellen. Wie es der Zufall will, wird deren Besteuerung gerade auf multilateraler Ebene intensiv diskutiert, und die entgangenen Staatseinnahmen dürften hier deutlich höher sein als jene durch ein paar Studenten, die ihr Taschengeld aufbessern.

Also: Lassen wir sie doch bitte weitermachen. Vielleicht wird einer von ihnen ja jener österreichische Mark Zuckerberg, auf den die Wirtschaftswelt so sehnsüchtig wartet. (Stefan Mey, 12.7.2021)

KONTRA: Echte Schattenwirtschaft

von Conrad Seidl

An einem heißen Sommertag und an einem der oft kaum weniger heißen Sommerabende ist ein kühles Bier natürlich willkommen. Man zahlt gerne dafür, ob es nun im Lokal frisch gezapft oder von einem fliegenden Händler in der Dose angeboten wird.

Aber der Durst ist ein schlechter Ratgeber beim Spontankauf der Dose am Donaukanal: Deren Verkäufer zahlen keine der vielen Steuern, die Gastronomen abführen müssen, sie halten keine der vielen Auflagen ein, denen die professionellen Anbieter unterworfen sind.

Es ist noch nicht allzu lange her, da wurde gegen alle Unternehmer in der Gastronomie der Pauschalverdacht erhoben, dass da massiv geschummelt würde und dass Steuern systematisch hinterzogen würden. Das hat angeblich jeder gewusst, und es wurde von der Politik als willkommener Anlass aufgegriffen, hart durchzugreifen. Mit allerhand administrativen Maßnahmen hat man die ohnehin nicht mit besonders hohen Gewinnen gesegneten Wirte karniefelt, hat die Anschaffung von manipulationssicheren Kassensystemen erzwungen und eine Belegerteilungspflicht ins Gesetz geschrieben.

Man versteht, dass diese bürokratische Belastung den Wirten sauer aufstößt. Die Konkurrenz durch Vertreter der Schattenwirtschaft, die zum Gaudium der Spaßgesellschaft wirklich Steuern hinterziehen, ist nicht hinzunehmen. (Conrad Seidl, 11.7.2021)