Maia Sandu ist bereits Präsidentin. Nun kontrolliert ihre Partei auch die Mehrheit im Parlament.

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Freudentaumel auf der einen Seite, Ernüchterung auf der anderen. Als auf dem Tableau unweit des Wahlstabs der Partidul Acțiune și Solidaritate (Aktions- und Solidaritätspartei, kurz PAS) in der Nacht die Zwischenstände der Auszählung eingeblendet wurden, brandete jedes Mal Beifall auf. Die Umstehenden skandierten "Mehrheit, Mehrheit!" und "Das Land den Jungen".

Tatsächlich ist der Abstand nach Auszählung von etwa 75 Prozent der Stimmen deutlich größer als erwartet. Die PAS von Präsidentin Maia Sandu kommt demnach auf gut 46 Prozent, der Block von Sozialisten und Kommunisten auf knapp 31 Prozent. Als dritte Kraft zieht noch die Partei "Schor" des gleichnamigen Oligarchen Ilan Schor mit etwas mehr als sechs Prozent ins Parlament ein.

Die Wahl ist eine wichtige Abstimmung über den künftigen Kurs des Landes. Zwar konnte die proeuropäische Kandidatin Sandu im vergangenen Jahr den auf Moskau ausgerichteten Amtsinhaber Igor Dodon besiegen, doch da die GUS-Republik Moldau über ein parlamentarisches System verfügt, fehlten ihr die Instrumente für einen Kurswechsel.

Oligarchen kontrollierten Abgeordnete

Das bisherige Parlament war eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft: Von den 101 Sitzen gehörten 37 den Sozialisten, 26 der PAS. Die Oligarchen Vladimir Plahotniuc und Ilan Schor hingegen kontrollierten über verschiedene Konstrukte ebenfalls mindestens 36 Abgeordnete.

Nun hat die PAS ihre Mehrheit sicher. Möglicherweise kann die Partei sogar mit der verfassungsgebenden Mehrheit rechnen, denn bei der Auszählung fehlen vor allem noch die Stimmen aus der vielköpfigen Diaspora. Am aktivsten sind hier traditionell die Wähler, die vor Armut und Perspektivlosigkeit Richtung Europa geflüchtet sind. Bei der heurigen Abstimmung beträgt der Vorsprung der PAS gegenüber der Konkurrenz bisher 70 Prozent. Damit dürfte in der Endabrechnung der Sieg noch deutlich höher ausfallen.

Junge, urbane Schicht

Wichtig ist aber auch, dass Sandu im Land selbst gewonnen hat. Somit verliert die Drohung Dodons, seine Anhänger wegen möglicher Wahlmanipulation auf die Straße zu führen, an Bedeutung. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50 Prozent so mau wie üblich. Größere Verstöße und Manipulationen haben die Wahlbeobachter nicht festgestellt.

Sandu konnte vor allem die junge, urbane Schicht für sich gewinnen, während die beiden Ex-Präsidenten Dodon und Wladimir Woronin mit ihrem Block aus Sozialisten und Kommunisten auf die konservative Wählerschaft auf dem Land setzten und zudem versuchten, die Bewohner der prorussischen abtrünnigen Teilrepublik Transnistrien zu mobilisieren.

Kampf gegen Korruption

Was nun folgt, bleibt abzuwarten. Sandu hatte den Kampf gegen Oligarchie und Korruption zum Hauptthema im Wahlkampf gemacht. Angesichts der jahrzehntelangen Miss- und Vetternwirtschaft zugunsten einer kleinen Klientel konnte sie damit gut punkten. Allerdings haben ihre Vorgänger das ebenfalls versprochen. Passiert ist wenig.

Immerhin ist es Sandu 2019 als Ministerpräsidentin in einem harten Kampf gelungen, den als kriminell geltenden Plahotniuc zu entmachten, der lange Zeit der wohl einflussreichste Strippenzieher im Land war. Plahotniuc floh außer Landes und wird nun mit internationalem Haftbefehl wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung, Erpressung, Betrugs und Geldwäsche gesucht.

Neues Parlament, neues Glück

Mit der neuen Konstellation im Parlament hat Sandu die Chance, nun weitere versprochene Reformen durchzubringen. Es ist zudem das erste Mal, dass sowohl Präsident als auch Parlament eindeutig proeuropäisch ausgerichtet sind.

Trotzdem muss Sandu mit Bedacht operieren. Das Land ist zerrissen zwischen Befürwortern einer Vereinigung mit Rumänien und deren Gegnern, die auf die Souveränität bestehen. Zudem ist der Einfluss Moskaus weiterhin groß. So sind weiterhin mehr als 1.000 russische Soldaten in der Region Transnistrien stationiert, deren Wiedereingliederung, die nur über Verhandlungen mit Moskau möglich ist, Chișinău anstrebt.

Darüber hinaus hat Russland auch großen Einfluss im autonomen Gebiet Gagausien. Moskauer Politiker haben in der Vergangenheit schon öfter mit einem Zerfall der Republik Moldau gedroht, sollte diese sich allzu sehr von Russland emanzipieren. (André Ballin aus Moskau, 12.7.2021)