Von acht angeklagten Polizeibeamten wurden sechs schuldig erkannt (Symbolbild).

Foto: FOTOKERSCHI.AT/WERNER KERSCHBAUM

Wien – In einem Prozess um Polizeigewalt sind am Montag am Wiener Landesgericht die Urteile gefallen. Von acht angeklagten Polizeibeamten wurden sechs schuldig gesprochen, die beiden Hauptangeklagten im Alter von 37 und 29 Jahren erhielten wegen Amtsmissbrauchs und Körperverletzung bedingte Freiheitsstrafen von zwölf beziehungsweise zehn Monaten. Die Urteile sind nicht rechtskräftig.

Zwei Mitangeklagte erhielten wegen Amtsmissbrauchs jeweils acht Monate bedingt, zwei weitere Beamte wegen Missbrauchs der Amtsgewalt und Fälschung eines Beweismittels jeweils zehn Monate bedingt.

Vorfall am 13. Jänner 2019

Die Anklage legte den Polizisten zur Last, am 13. Jänner 2019 in einem Spiellokal in Favoriten ohne ersichtlichen Grund einen Tschetschenen geschlagen zu haben. Wie der Betroffene am Montag unter Wahrheitspflicht schilderte, sollen den Tätlichkeiten rassistische Beleidigungen vorausgegangen sein.

Die Polizei war wegen eines angeblichen Raufhandels in das Lokal gerufen worden. Acht Beamte – darunter zwei Hundeführer – fanden sich in dem Zwei-Zimmer-Lokal ein, wo sich neben dem Tschetschenen nur ein weiterer Mann aufhielt. Streit hatten die beiden keinen.

Die Polizei führte dessen ungeachtet eine Ausweiskontrolle durch, als der Tschetschene seinen Führerschein herzeigte, sei er von dem 37-jährigen Beamten beleidigt worden, gab der Zeuge zu Protokoll: "Als er gesehen hat, dass ich aus Tschetschenien komme, hat er gesagt, ihr gehört alle abgeschoben." Auch der Ausdruck "Scheißhurenkinder" sei in diesem Zusammenhang gefallen, gab der 29-jährige Tschetschene an.

Der 37-jährige Beamte habe ihn dann zu einer Couch gezogen und aufgefordert, die Hände aus den Jackentaschen zu nehmen: "Ich hatte eine Operation an der Hand und habe eine Schiene getragen." Daher habe er die Hand nicht aus der Tasche nehmen wollen.

"Hörts auf, was soll das"

Als die Polizei feststellte, dass der Tschetschene ein zweites Handy dabei hatte und er dieses nicht entsperren wollte ("Es waren private Videos drauf"), sondern auf den Boden warf, eskalierte die Situation. Er sei von dem 37-jährigen Polizisten am Nacken gepackt worden, habe einen Kniestoß in den Unterleib und Schläge mit der Faust bekommen, berichtete der 29-Jährige: "Ich war kurz ohnmächtig." Der 37-jährige Beamte habe ihm obendrein gedroht, er werde ihn "die ganze Nacht verprügeln", wenn er das Handy nicht entsperre, gab der Zeuge an.

Nachdem er wieder zu sich gekommen war, habe er angekündigt, Anzeige erstatten zu wollen, setzte der Tschetschene fort. Da habe ihm ein zweiter, 29 Jahre alter Polizist "mit der Faust auf den Kiefer geschlagen".

"Ich habe gesagt: 'Hörts auf, was soll das.' Ich hab geglaubt, wir sind in einem Rechtsstaat", erinnerte sich der Zeuge, der erstklassiges Deutsch spricht und daher ohne Dolmetsch vernommen wurde. Auf seine Bemerkung sei ihm erwidert worden, er könne "zurück nach Russland gehen".

Video als entscheidendes Beweismittel

Der Vorfall war erst bekannt und von der Staatsanwaltschaft untersucht worden, nachdem im Juli 2020 ein Video aus einer im Lokal angebrachten Überwachungskamera den Medien zugespielt wurde. Darauf ist zu sehen, wie die sechs Kollegen der Hauptangeklagten untätig danebenstehen und nicht einschreiten. Zwei mitangeklagte Beamte sollen in weiterer Folge die Vorgänge in dem Lokal nicht rechtmäßig dokumentiert haben, um sie zu vertuschen.

"Wenn es das Video nicht gäbe, wäre ich Beschuldigter", stellte der Tschetschene diesbezüglich fest. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft zunächst gegen ihn wegen Verleumdung ermittelt – dieses Verfahren wurde eingestellt, nachdem die Anklagebehörde das Videomaterial erhalten hatte.

Opfer lehnt Geld ab

Am Ende der zeugenschaftlichen Befragung des betroffenen Tschetschenen wurde das Thema Schadenersatz und Wiedergutmachung angeschnitten. Der Mann hatte der Anklage zufolge eine Schädelprellung, Prellungen am Brustbein, am Unterarm und an der Nase mit Nasenbluten sowie Schmerzen im Unterleib erlitten. "Ich brauche das Geld nicht", erklärte der Tschetschene.

Der 37-jährige Polizist wandte sich daraufhin im Verhandlungssaal direkt an ihn: "Ich möchte mich für mein Verhalten entschuldigen." Über seinen Verteidiger Marcus Januschke bot der Beamte dem Mann 1.000 Euro als Wiedergutmachung an. Der Tschetschene lehnte das erneut und kategorisch ab: "Er kann das Geld behalten. Er soll es für wohltätige Zwecke spenden."

Die Hauptangeklagten hatten sich in dem Verfahren schuldig bekannt. Mit Ausnahme von zwei Hundeführern waren auch die Mitangeklagten weitgehend geständig. (APA, 12.7.2021)