Die Installation "Hexenküche" (2021) von Angela Anderson und Ana Hoffner ex-Prvulovic* entschlüsselt Logiken kapitalistischer Ausbeutung.
Foto: Filmstill

Eine ältere Frau mit Strohhut widmet sich im milden Morgenlicht der Pflege ihrer Rosenbüsche, da kommt ein junger Paketbote des Wegs. Rosamunde Pilcher? Und gleich kommt die hübsche Enkelin? Weit gefehlt, hier spielen Frauen jenseits der Menopause die Hauptrollen und beginnen noch einmal, exzessiv zu menstruieren. Mit der Rückkehr des Zyklus geht eine Mordslust auf männliches Frischfleisch einher, mit letalen Folgen für den Paketboten, die Frauen landen hinter Gittern.

Das Video Qu’un sang impur der französischen Künstlerin Pauline Curnier Jardin ist eine beißend komische Satire auf weibliche Rollenbilder und Reproduktionslogiken, wenn man will auch der Film gewordene Albtraum des Patriarchats von der Macht weiblicher Sexualität.

Diese galt im Kontext historischer Hexenverfolgungen als Inbegriff des Bösen, Hebammen und Heilerinnen wurden besonders oft Opfer dieses grausamen Vernichtungsfeldzugs. Mit ihrem Wissen standen sie für das Gegenteil dessen, was Frauen am Übergang von der feudalistischen zur kapitalistischen Gesellschaft als zentrale Aufgabe zugedacht war: kuschen und ausbeutbare Arbeitskräfte gebären.

"Hexen" gibt es nicht

Die italienische Philosophin Silvia Federici hat die systematische Ausrottung eines perfiden sozialen Konstrukts namens "Hexen" mit dem "Widerstand der Frauen gegen die Ausbreitung kapitalistischer Verhältnisse" zusammengebracht, diesem Gedanken folgen Angela Anderson und Ana Hoffner ex-Prvulovic* in ihrer für die aktuelle Schau im Innsbrucker Taxispalais entstandenen Installation Hexenküche, die die Logiken kapitalistischer Ausbeutung bis in die Gegenwart herauf verfolgt, man nehme die beschämende Situation der Erntehelfer im Radieschen-Wunderland Tirol.

Der Märchen- und Mythenecke wird hier großräumig ausgewichen, die im Ausstellungstitel angekündigten "Hexen" gibt es nicht, es geht vielmehr um ganz reale gesellschaftliche Verwerfungen, verdrängte Wissenssysteme, Alternativen – womöglich auch bei Formen des Erinnerns: Gleich eingangs wird man mit einem lebensgroßen Selbstporträt von Esther Strauß konfrontiert, es zeigt die Künstlerin nackt und mit Erde aus dem Grab des Großvaters beschmiert; bei Neda Saeedi wiederum entpuppt sich der nachtblaue Hexenthron als Modell eines Stuhls aus dem Zentrum der Macht, dem EU-Parlament.

Hexen ist der gelungene Auftakt einer von Taxispalais-Direktorin Nina Tabassomi angekündigten Ausstellungstrilogie, der zweite Teil wird "Göttinnen" gewidmet sein und vermutlich bereits in Tabassomis zweite Amtszeit fallen: Ihr Vertrag wird um fünf Jahre verlängert. (Ivona Jelčić, 13.7.2021)