Im Actionkino ist auch Eleganz gefragt: Die Balance auf einem der auffrisierten Gefährte will eben gelernt sein. Vin Diesel und Nathalie Emmanuel halten sich aber ganz gut.
Foto: Universal

Bei Vin Diesel müsste man einmal untersuchen, wo genau seine Stimmbänder angebohrt wurden, damit das herauskommt, was man bei Motorrädern einen "Spruch" nennt. Eine Artikulation also, die Selbstlaute irgendwo dort unten schürft, wo bei anderen Menschen schon die Ausscheidung in die andere Richtung im Gang ist. Zwischen Lunge, Zwerchfell und Verdauungstrakt muss Diesel ein Bergwerk haben, aus dem Öl, Kohle, Granit, Gas, Methan und was es sonst noch so an urzeitlichen Rohstoffen gibt, heraufkommen, die er dann zu geraden Sätzen von meist wenigen Worten veredelt.

Dass er diese Sätze gern mit einer Art Schmollmund oder eher mit gespitzten Lippen von sich gibt, macht die Sache geradezu apart. In der Filmreihe Fast and Furious, deren zehnter Teil nun unter dem Titel Fast & Furious 9 in die Kinos kommt, trägt Vin Diesel wie immer den Figurennamen Dominic "Dom" Toretto. Er versteht sich auf die Steuerung von Vehikeln aller Art, mit denen er einerseits Schauplätze rund um den Globus verpestet, mit denen er aber auch großartige Stunts hinlegt.

Welt der CO2-Vergiftung

In diesem Fall zum Beispiel die Bewältigung einer tiefen Schlucht mithilfe eines Stahlseils, das er ungefähr so verwendet wie Tarzan einst die Lianen. Das alles jedoch bei mindestens einhundert Kilometern pro Stunde.

Längst hat das Fast and Furious-Franchise erkannt, dass ihm alle Wege in die Zukunft verbaut sind. Einen dekarbonisierten Vin Diesel kann man sich einfach nicht vorstellen, das wäre wie ein Stimmbruch in die falsche Richtung. Zugleich gibt es aber so viele Fans in aller Welt, dass es irgendwie weitergehen muss – in die Vergangenheit zurück, auch wenn das bei Ruinen endet.

Fast & Furious 9 beginnt bei einer Urszene, bei einem jener amerikanischen Rennen, die lange Zeit patentiertes Kulturgut der späteren Trump-Wählerschaft waren. Aus dieser Welt, in der auffrisierte Karren im Betonovalkreis fuhren, kommt Dom Toretto. Das wird in diesem Fall an einer Familiengeschichte deutlich, die in ihrer erzählerischen Konstruktion fast so etwas wie einen Resnais-Film mit CO2-Vergiftung darstellt. Oder anders gesagt: Die Zeitebenen greifen hier ineinander, wie die Kolben eines sehr alten Motors arbeiten.

Wendung des Prometheus-Mythos

Der Bruder Jakob Toretto (schön kantig: John Cena) ist Dom in einer Gegensätzlichkeit verbunden, die hart an Kain und Abel anstreift. Der familiäre Zwist weitet sich zu einem globalen Wettrennen um die Verhinderung der Zusammenführung von zwei Hälften einer unheilvollen Energiequelle aus. Zwei Fraktionen geben es sich in Edinburgh, später in Tblisi in Georgien, dort mit einem Sattelschlepper, der vorübergehend zu einem Wolkenkratzer wird.

Die wichtigste Errungenschaft in diesem neuen Film ist aber, dass man mit einem entsprechend guten Antrieb auch ins All fahren kann. Diese Information kommt zu den aktuellen Weltraumflügen der Superreichen gerade recht. Jeff Bezos und Richard Branson werden sich noch anschauen, wenn sie den Space-Boliden sehen, mit dem Fast & Furious 9 von fern an John Carpenters Dark Star erinnert. Überhaupt ist die an einen Raketenmotor geschmiedete Blechkiste so etwas wie die Wendung des Prometheus-Mythos ins Schnelle und Furiose.

Nicht nur Fleisch

James Bond sieht neben Dom Toretto aus wie ein Armutschkerl, und Ethan Hunt, die Figur von Tom Cruise in Mission: Impossible, wie ein Autodromfahrer. Ganz am Schluss deutet sich in der vielleicht ein bisschen länglichen Fetzerei von Fast & Furious 9 an einem Detail an, dass jetzt neue Zeiten anbrechen: Auf dem Grill liegen nicht mehr nur fette Burger, sondern auch Maiskolben. Für Kraftstoffveganer? Sicher nicht für den ewigen Grubenhund Vin Diesel. (Bert Rebhandl, 13.7.2021)