Sehr viel wird derzeit gebaut in Wien und anderen größeren Städten.

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Nur sehr klein fiel sie aus, die erwartete Corona-Delle im heimischen Wohnbau. Im ersten Quartal 2020 wurden "nur" 15.900 Wohneinheiten baubewilligt, doch schon in den folgenden Quartalen kam es zu einer Aufholjagd, und auch im ersten Quartal 2021 gab es wieder enorm viele Baubewilligungen, nämlich für 19.250 Wohneinheiten. Das gab die Statistik Austria am Montag bekannt.

Es wird also nach wie vor sehr viel gebaut in Österreich. Vor allem in den Ballungsräumen, aber auch in vielen Bezirkshauptstädten drehen sich die Baukräne. Viele Beobachter fragen sich deshalb immer lauter, wann es denn eigentlich genug ist bzw. genug sein müsste. Und bei differenzierter Betrachtung drängen sich natürlich zwei andere Fragen auf: Sinken die Preise, wenn so viel gebaut wird? Und wird überhaupt das Richtige gebaut, oder baut man am Bedarf vorbei?

Der Bedarf als große Unbekannte

"Der Wohnungsbedarf ist schwer zu fassen", sagt Wohnbauforscher Wolfgang Amann (IIBW). Denn neben der Nachfrage nach Haupt- oder Nebenwohnsitzen "ist auch die Nachfrage nach einer Wohnung als Investitionsprodukt ohne Nutzungsabsicht eine Art von Bedarf". Also die berühmten Investoren- oder Anlegerwohnungen, die seit rund zehn Jahren einen regelrechten Boom erleben. Sie sind auch der Grund, warum sich laut Amann der Wohnbau von der Entwicklung der Haushalte mittlerweile deutlich entkoppelt hat.

In den vergangenen Jahrzehnten war das noch anders. Die Formel lautete: Wächst die Bevölkerung, muss gebaut werden. Natürlich ging das nur mit einigen Jahren Verzögerung, das bringen die erforderlichen Prozesse beim Wohnbau mit sich.

Auf und Ab

Wie sich dieses Auf und Ab in den letzten 40 Jahren gestaltete, ist aus einer Grafik des OeNB-Ökonomen Martin Schneider recht gut ablesbar (siehe Grafik). Er hat Angebot und Nachfrage für Wien und die Bundesländer (ohne Wien) seit 1980 Jahr für Jahr gegenübergestellt. Da ist gut zu erkennen, dass es beispielsweise ab Anfang der 1990er-Jahre in den Bundesländern zu einem Nachfrageüberschuss kam (also die Nachfrage höher war als das Angebot), in Wien aber damals – und noch bis 2005 – ein Überangebot an Wohneinheiten vorhanden war. Danach waren Angebot und Nachfrage ein paar Jahre lang im Gleichgewicht, doch ab 2010 stieg die Nachfrage wieder stärker an – auch deshalb, weil in diesen Jahren weniger gebaut wurde.

Grafik: STANDARD

Das Ungleichgewicht kulminierte in einem enormen Nachfrageüberhang von knapp 80.000 Wohneinheiten im Jahr 2016 – befeuert natürlich auch durch die Flüchtlingsbewegung ab 2015. "Bis 2016 stieg also die Nachfrage stärker als das Angebot, aber 2017 hat sich diese Relation umgekehrt", erklärt Schneider. "Seither übertrifft die Wohnbautätigkeit die Nachfrage."

Rekordjahre 2017 und 2019

2017 war das Jahr mit den bisher meisten Baubewilligungen (83.430 Einheiten). Das führte zwei Jahre später, 2019, zu einem Rekord an Fertigstellungen, nämlich (laut vorläufigen Zahlen) rund 78.000 Wohneinheiten.

Die Folge der massiven Investitionen in den Wohnbau: "Bis zum Jahr 2020 wurde der Nachfrageüberhang abgebaut." Allerdings handelt es sich dabei um einen bundesweiten Saldo. "In Wien gibt es derzeit noch einen Nachfrageüberhang", sagt Schneider, "der sich auch bis zum nächsten Jahr nicht abbauen wird." Irgendwann in den nächsten Jahren aber wohl schon – wenn die Entwicklung so weitergeht, wonach es derzeit aussieht. Und in den Bundesländern gibt es laut Schneiders Zahlen sowieso schon eine massive Überproduktion an Wohnraum von 20.000 bis 30.000 Wohneinheiten pro Jahr (!). "Bis 2022 wird sich das auf ein gesamtes Überangebot von rund 66.000 Wohneinheiten summieren."

Sehr viel freifinanzierter Wohnbau

Bleibt also die nicht ganz unwichtige Frage, ob auch das Richtige gebaut wird. Schon länger ist die Rede davon, dass zu viel Hochpreisiges und zu wenig Leistbares entsteht. In Wien hat das freifinanzierte Segment einen Anteil von zwei Dritteln am gesamten Wohnbau. Das ist auch kein Wunder, denn die Ausgaben für Wohnbauförderung in den Bundesländern sinken von Jahr zu Jahr. Der geförderte Wohnbau hilft zwar, die Mieten im Zaum zu halten, doch Eigentum wird in den großen Städten zunehmend unerschwinglich.

Womit wir auch schon bei den Preisen wären. Insgesamt betrachtet legten diese auch im Vorjahr wieder deutlich zu. "Seit 2017 sind die Preisanstiege von der Entwicklung von Angebot und Nachfrage entkoppelt", heißt es dazu bei der OeNB ganz nüchtern. Auch hier ist also keine Corona-Delle in Sicht. (Martin Putschögl, 13.7.2021)