Nach dem Besuch von US-Finanzministerin Janet Yellen in Brüssel war das Thema Digitalsteuer vom Tisch der Europäer.

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Seit vier Jahren ringen die EU-Finanzminister um die Einführung einer gemeinschaftlich organisierten Digitalsteuer. Von Anfang an war klar, dass es darum gehen müsse, digitalen Konzernriesen aus den USA Schlupflöcher zu verbauen, die es ihnen erlauben, das große Geschäft im Binnenmarkt zu machen, ihre Abgaben aber in Steueroasen wie Irland oder Luxemburg durch spezielle Konstrukte möglichst gegen null zu halten.

Über Grundsätze war man sich bereits bei einem Treffen in Vilnius 2017 einig. Diese Woche hätte die EU-Kommission eigentlich einen konkreten Vorschlag auf den Tisch legen wollen, wie sie sich die Einführung der Digitalsteuer vorstellt, neben den Konzepten für eine CO₂-Steuer oder einer fairen EU-Abgabe auf Einfuhren in den Binnenmarkt. All das sind die Elemente, wie die Union durch neue "Eigenmittel" ihren Wiederaufbauplan mit einem Volumen von 800 Milliarden Euro finanzieren will. Die eigenen Einnahmen sollen dazu dienen, die Kredite für den Wiederaufbau ab 2028 zurückzuzahlen, sie würden EU-Beiträge der Nationalstaaten entlasten.

Zwei Säulen

Aber aus all den schönen Plänen wird vorerst einmal nichts. Der Vorschlag für eine Digitalsteuer wird bis mindestens Herbst auf Eis gelegt, wie die Kommission am Montag am Rande des Treffens der Eurogruppe bestätigte, dem ein EU-Finanzministerrat folgt. Der Hintergrund ist die am Wochenende von den Finanzministern der G20-Staaten festgezurrte Absicht, eine globale Mindestbesteuerung von 15 Prozent für Unternehmen einzuführen.

Sie soll auf OECD-Ebene umgesetzt werden. Einer Mindeststeuer, die auf zwei Säulen beruht, hatten die USA zugestimmt, aber gleichzeitig abgesichert, dass diese nicht vor Frühjahr 2022 realisiert wird. Die US-Regierung muss die Pläne erst durch den Kongress bringen. Ganz in diesem Sinn hatte US-Finanzministerin Janet Yellen bereits in Venedig auf die Europäer Druck gemacht, ihre Steuerpläne auf digitale Dienste auszusetzen, um Doppelgleisigkeiten zu verhindern und weil dies vor allem US-Firmen benachteilige.

Nachhaltige Einnahmen

Am Montag war sie in Brüssel in der Eurogruppe zu Gast: "Wir brauchen nachhaltige Einnahmen, sollten uns nicht auf Steuern auf Arbeit verlassen", versicherte sie. Steuervermeidung von Konzernen müsse beendet werden, auch um den Aufschwung nach Corona zu stärken. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz nannte dies "einen Fortschritt" im Vergleich mit bisherigen Plänen. Auch Österreichs Finanzminister Gernot Blümel zeigt sich bereit, über die Rücknahme der in Österreich auf nationaler Ebene geltenden "Werbesteuer" zu reden, sollte es gelingen, über den globalen Weg eine Mindeststeuer einzuführen, Einnahmen zu sichern.

Aber der Schein trügt. Nicht nur, dass es wegen der Komplexität der Materie noch schwierig sein wird, in die Nähe von Kompromissen zu kommen, sondern es legen sich bereits auch einzelne EU-Staaten dagegen quer: konkret Ungarn, Estland und Irland. Das Bremsen der Iren, die vielen Konzernriesen Vorteile gewähren, ist insofern besonders pikant, als sie mit Finanzminister Paschal Donohoe derzeit den Chef der Eurogruppe stellen. Er brachte seine Ablehnung der Mindeststeuer klar zum Ausdruck.

"Neubewertung" im Herbst

Die EU-Kommission will nun im Herbst eine "Neubewertung" der Digitalsteuer vornehmen, im Lichte der komplexen Materie einer globalen Körperschaftssteuer. Eine weitergehende globale Besteuerung habe Priorität, erklärte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

Laut Yellen werde es leichter sein, die zweite Säule der geplanten Besteuerung, eine Körperschaftssteuer von 15 Prozent, umzusetzen. Als schwieriger gilt es, eine Steuer auf die Gewinne in jenen Staaten zu berechnen, in denen digitale Geschäfte abgewickelt werden. Die USA werfen der EU vor, dass ihre Digitalabgaben vor allem gegen US-Firmen gerichtet seien und diese benachteiligten, wie eine nationale Steuer in Frankreich, die Washington mit Strafzöllen beantwortete. (Thomas Mayer aus Brüssel, 12.7.2021)