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PRO: Es gibt genug Impfstoff

von David Krutzler

Über den Zeitpunkt lässt sich streiten. Dass die Maskenpflicht im Handel schon am 22. Juli fliegen muss und immer weniger Vorsichtsmaßnahmen auch in Innenräumen gelten, halten Experten mit Blick auf die Delta-Variante für verfrüht. Andererseits gilt weiter die 3G-Regel. Und Masken freiwillig ohne Pflicht aufsetzen geht auch.

Dass Kanzler Sebastian Kurz nun die Impfverweigerung zum persönlichen Problem erklärt, ist angesichts der Hülle und Fülle an Impfstoff im Land schon sinnvoll. Wer sich impfen lassen will, kann sich relativ zeitnah und unkompliziert auch einen Stich holen. Und eine Vollimmunisierung – also eine Zweitimpfung oder eine Wartezeit nach dem Einmal-Impfstoff von Johnson & Johnson – soll vor schweren Krankheitsverläufen schützen. Das ist auch das Hauptziel.

Die verwundbarsten Gruppen – Alte und Risikopatienten – sind weitgehend durchgeimpft. Die Jungen sollten sich das ebenfalls gut überlegen: Immerhin waren von 8150 Covid-Intensivpatienten bis Ende Mai 183 jünger als 30 Jahre. Jeder einzelne ist einer zu viel. Prozentuell gesehen sind es aber nur 2,25 Prozent aller Covid-Intensivpatienten seit Pandemiebeginn. Hier ist Eigenverantwortung das gelindere Mittel.

Problematisch ist aber, dass Kinder unter zwölf noch nicht geimpft werden dürfen: Kurz hätte warten müssen, bis auch Eltern jüngerer Kinder die Impf-Entscheidung treffen können. Der Zeitpunkt von Kurz’ Entscheidung ist das Problem. (David Krutzler, 12.7.2021)

KONTRA: Purer Zynismus

von Walter Müller

Vor zwei Wochen hing der Himmel noch voller Geigen. Die Situation der Pandemie habe sich besser als erwartet entwickelt, "es kann getanzt, gefeiert, geheiratet werden", strahlte Bundeskanzler Sebastian Kurz.

Jetzt ist plötzlich wieder Ernüchterung eingekehrt. "Das Virus wird nicht verschwinden, es wird uns noch Jahre beschäftigen", sagte Kurz. Mit der neuen Warnung drehte er auch seine Argumentation. Die Pandemie sei nun "keine akute gesamtgesellschaftliche Herausforderung" mehr, sondern "ein individuelles medizinisches Problem". Also, wer sich jetzt noch ansteckt – und nicht impfen lässt –, ist selber schuld.

Hat Kurz bei dieser Privatisierung der Pandemie auch an jene gedacht, die nicht geimpft werden können? An Kinder unter zwölf, an Kranke, die aus medizinischen Gründen ungeimpft bleiben müssen? Was ist mit den Eltern, die Angst haben, ihre Kinder könnten das Virus von der Schule, vom Kindergarten oder der Kinderkrippe nach Hause tragen? Selber schuld?

Selbstverständlich liegt der Schutz vor dem Virus auch hochgradig in der persönlichen Verantwortung. Darauf hinzuweisen wäre all die Monate dringlicher gewesen, als Bilder vom "Sommer wie damals" zu suggerieren. Jetzt zu sagen, kümmert euch künftig selbst darum, ist purer Zynismus – vor allem jenen gegenüber, die sich selbst nicht schützen können. Für sie trägt die Gesellschaft weiter Verantwortung. (Walter Müller, 12.7.2021)