Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (links) mit seinem griechischen Amtskollegen.

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Der Vormarsch der radikalislamischen Taliban in Afghanistan war am Montag das bestimmende Thema beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Nach dem Abzug der internationalen Truppen – insbesondere der USA – wächst die Sorge vor einer neuen Flüchtlingsbewegung, die vor allem Europa treffen könnte. Laut eigenen Angaben kontrollieren die Taliban bereits 85 Prozent. Das hat vor allem Auswirkungen auf die Sicherheit und Stabilität des Staates.

Österreich hält an Abschiebungen fest

Ungeachtet dessen möchte Österreich weiter Menschen ins krisengebeutelte Land abschieben. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kritisierte ein entsprechendes Ansuchen der afghanischen Regierung – Abschiebungen sollten für drei Monate ausgesetzt werden – scharf.

"Dass die Taliban in Afghanistan präsent sind, ist ja keine neue Situation", erklärte Schallenberg. Er versicherte, die westliche Gemeinschaft lasse das Land am Hindukusch nicht im Stich. Aber "das Signal, dass wir jetzt bekommen haben, ist eigentlich kein positives", so der Außenminister mit Blick auf die Abschiebungen. Verträge seien einzuhalten, "hier werden wir sicher noch auf die Afghanen einwirken".

Deutschland prüft, Finnland stoppt Abschiebungen

Die afghanische Regierung bat auch Deutschland, von einer Rückführung in den nächsten drei Monaten abzusehen. Im Gegensatz zur scharfen Kritik aus Österreich will Deutschland dieses Ansuchen "prüfen", wie es seitens eines Sprechers der deutschen Regierung hieß.

Rascher reagierte Finnland, dass dem Ansuchen Afghanistans statt gab. Die finnische Regierung setzt Abschiebungen vorerst aus, hieß es in einer Erklärung am Montagabend. Ein Vertreter der finnischen Einwanderungsbehörde sagte der Zeitung "Iltalehti", die Aussetzung der Abschiebungen bedeute nicht, dass die Betroffenen automatisch eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekämen. Die Entscheidungen über die Anträge würden nur verschoben.

Libanon ebenso "schwieriges Thema"

Ein weiteres Thema der EU-Chefdiplomaten war der Libanon. Das Land am Mittelmeer steckt seit mehr als einem Jahr in einer der schwersten Wirtschafts- und Finanzkrisen seiner Geschichte. Die führenden politische Blöcke können sich darüber hinaus seit Monaten nicht auf ein neues Kabinett einigen. Das sei "ein schwieriges Thema", so Schallenberg. "Es gibt ein gewisses Maß an Frustration in der Europäischen Union, weil man das Gefühl hat, es dreht sich nur im Kreis." Als sinnvoll erscheint dem Außenminister, dem Libanon die "Rute ins Fenster zu stellen". Zu Sanktionen, wie sie etwa die Franzosen andenken, äußerte sich Schallenberg zurückhaltend.

Erfreut zeigte sich Schallenberg hingegen über die Teilnahme des israelischen Außenminister Yair Lapid am Mittagessen der EU-Minister. Er sei ein "sehr positives Zeichen", das Lapid nicht einmal einen Monat nach seiner Angelobung nach Brüssel gekommen sei. Das Ziel müsse sein, "die Beziehungen mit Israel zu verdichten", forderte Schallenberg. Der EU-Israel Assoziationsrat habe zuletzt 2012 getagt. Die "schrecklichen Zusammenstöße zwischen den Hamas und den Israelis", so der Außenminister weiter, hätten gezeigt, der Nahost Konflikt ist "nicht vergessen, ist noch da und schwelt weiter. Wir als Europäische Union müssen da ganz genau hinschauen". (balm, 12.7.2021)