Betroffen sind zunächst nur die Sektoren Zement, Düngemittel, Stahl und Aluminium. Ausgeklammert bleibt etwa die emissionsintensive Landwirtschaft.

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Mit der Androhung einer Digitalsteuer haben die europäischen Staaten die USA motiviert, sich für eine globale Mindeststeuer starkzumachen. Geht es nach der EU, soll das nun auch in Sachen CO2-Abgaben funktionieren: Am Mittwoch stellt die Kommission ihren Plan für einen Grenzausgleichsmechanismus (Carbon border adjustment mechanism, CBAM) vor.

Produkte, die in ihren Herkunftsländern keiner CO2-Bepreisung unterliegen, sollen beim Import mit einem Zoll belegt werden, der die Kosten für den innereuropäischen CO2-Zertifikathandel spiegelt. Das Ziel: Europas Unternehmen werden vor billigerer internationaler Konkurrenz geschützt. Gleichzeitig sollen Wirtschaftsblöcke wie die USA und China dazu motiviert werden, ähnliche Standards bei der CO2-Bepreisung einzuführen.

Verlagerung von Emissionen

Wie wichtig eine gemeinsame internationale Vorgehensweise bei der Bekämpfung des Klimawandels ist, wird im Bereich von CO2-Abgaben besonders deutlich: Sind die Steuern zu hoch, tendieren Firmen dazu, ihren Sitz in Länder mit geringeren Belastungen zu verlegen. Das hat zur Folge, dass Staatseinnahmen entfallen und Arbeitsplätze verloren gehen. Dazu kommt, dass das eigentliche Ziel der Maßnahme konterkariert wird: Wandert die umweltschädliche Produktion ins Ausland, bleibt der globale CO2-Verbrauch gleich – oder steigert sich mangels vergleichbarer Umweltstandards sogar.

Um Carbon-Leakage – also die Verlagerung von Emission in andere Länder – zu verhindern und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen weiter zu garantieren, werden CO2-Zerftifikate teilweise kostenlos vergeben. Dieser Mechanismus der "freien Allokation" wird aber schrittweise zurückgefahren. Abhilfe soll der von der Kommission vorgeschlagene Klimazoll schaffen. Die Abgabe betrifft vorerst nur die Sektoren Zement, Düngemittel, Eisen, Stahl und Aluminium. Ausgeklammert bleibt etwa die emissionsintensive Landwirtschaft.

Kaum Effekte auf CO2-Ausstoß

Ob der Plan der Kommission auch klimapolitisch sinnvoll ist, ist umstritten. Ein Alleingang der EU in Form des geplanten Grenzausgleichs hätte auf die Reduktion der weltweiten CO2-Emissionen nur geringe positive Effekte, sagt etwa Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Der Grund dafür ist, dass der Zoll nur direkte Carbon-Leakage verhindern kann. "Das ist etwa dann der Fall, wenn wir zwar in Europa Emissionen einsparen, indem ein Stahlwerk geschlossen wird, im Gegenzug aber Stahl importiert wird, der im Ausland Treibhausgase verursacht", erklärt Felbermayr.

Nicht verhindern kann der Zoll dagegen indirekte Carbon-Leakage, die mengenmäßig die größere Rolle spielt: Wenn in Europa die Nachfrage nach Gas, Steinkohle und Erdöl zurückgeht, sinken auf dem Weltmarkt die Preise. Das führt dazu, dass Länder ohne CO2-Besteuerung billiger produzieren können und einen Anreiz haben, mehr fossile Brennstoffe zu verbrauchen."

Ein einseitiger Grenzausgleich kann dieses Problem nicht lösen", sagt Felbermayr. "Wirklich Sinn ergibt der Klimazoll nur dann, wenn auch die USA und China mitmachen." Ziel wäre ein globaler "Klimaklub" mit einheitlichen Standards. Importe aus Staaten, die sich daran beteiligen, wären vom Zoll ausgenommen. Der Grenzausgleich soll nun ein erster Schritt in diese Richtung sein und andere Staaten dazu bringen, eine ähnliche CO2-Besteuerung einzuführen.

Handelspartner sind skeptisch

Nicole Voigt, Partnerin bei der Boston Consulting Group (BCG), rechnet damit, dass die wichtigsten Handelspartner den Klimazoll bei der Welthandelsorganisation (WTO) anfechten werden. Die aktuellen Vorschläge der Europäischen Kommission dürften allerdings mit dem internationalen Handelsregime vereinbar sein. Ob europäische Unternehmen von der Regelung profitieren oder nicht, hängt davon ab, wie viel Umsatz sie mit Exporten oder Importen erwirtschaften. Auch Exporte aus der EU werden der CO2-Bepreisung unterliegen. Laut Voigt führt das zu einem Wettbewerbsnachteil am internationalen Markt. "Dort konkurrieren die europäischen Exporte mit Produkten, die keine CO2-Kosten inkludiert haben." Gleichzeitig werden Unternehmen, die hauptsächlich auf dem europäischen Markt tätig sind, wettbewerbsfähiger, weil der Preisdruck durch billigere importierte Waren sinkt.

Dass CO2-Emissionen reduziert werden müssen, ist mittlerweile internationaler Konsens. Wie man zu diesem Ziel gelangt, ist allerdings umstritten. Derzeit fehlen gemeinsame Instrumente. "Für die Klimapolitik gibt es eine ganze Reihe an wirksamen Maßnahmen", sagt Felbermayr. "Aus europäischer Sicht ist das Leitinstrument ein CO2-Preis. Die Amerikaner und die Chinesen setzen aber eher auf Subventionen und Regulierung." Man könne Länder, die auf andere Weise eine erfolgreiche Klimapolitik machen, nicht dazu zwingen, das europäische Modell zu übernehmen, meint Felbermayr. "Wenn man über die Instrumente keine Einigkeit hat, dann wird es mit dem Klimaklub ganz schwierig." (Jakob Pflügl, 13.7.2021)