Das niedrigere Lohnniveau in der Türkei darf laut dem Obersten Gerichtshof zu keiner Minderung der Unterhaltspflicht führen.

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Wer als Unterhaltspflichtiger ins Ausland zieht und dort weniger verdient, kann keine Minderung der Alimente geltend machen – jedenfalls dann nicht, wenn für den Umzug keine wichtigen Gründe vorliegen. In einer aktuellen Entscheidung bestätigte der Oberste Gerichtshof (OGH) damit seine bisherige Rechtsprechung (OGH 9.7.2021, 4 Ob 26/21h).

Geringeres Einkommen in der Türkei

Ein 50-jähriger Mann, der aus der Türkei stammt und österreichischer Staatsbürger ist, hatte beim Gericht beantragt, die Unterhaltspflicht für seinen in Tirol lebenden Sohn von 270 auf 50 Euro pro Monat zu kürzen. Der Grund: Mitte 2019 zog der Mann zurück in die Türkei in sein Elternhaus. Dort bezieht er seither eine Pension von umgerechnet 256 Euro. Aufgrund des verringerten Einkommens sei er nicht mehr in der Lage, den bisherigen Unterhalt weiterhin zu bezahlen.

Die Gerichte wiesen den Antrag des Mannes ab: Der Umzug in die Türkei sei als "Unterhaltsflucht" zu werten. Der Mann habe die letzten 30 Jahre in Österreich verbracht, wo er nach einer Lehre als Maurer mehr als 20 Jahre beruflich tätig war. Er sei daher voll erwerbsfähig und könne in Österreich theoretisch ein höheres Einkommen als in der Türkei erzielen – auch deshalb, weil es genug offene Stellen im Baugewerbe gebe. Zudem lägen keine wichtigen Gründe für die Rückkehr in die Türkei vor. Sein dort lebender Vater sei nicht pflegebedürftig, auch ein Großteil der Familie lebe in Österreich. Die Unterhaltspflicht wiege deshalb schwerer als der Wunsch, in der Türkei zu leben.

Umzug muss gerechtfertigt sein

Dem widersprach der Mann: Seine Rückkehr in die Türkei sei sehr wohl aus wichtigen Gründen erfolgt. Seine Lebensgemeinschaft sei gescheitert, er habe keine aufrechten Kontakte mehr in Österreich. Zudem sei er in Österreich mit Ausländerfeindlichkeit konfrontiert. Im Sinne des Rechts auf Privatsphäre und Familienleben müsse es ihm daher erlaubt sein, aus Österreich auszuwandern und in sein Heimatland zurückzukehren.

Erfolg hatte der Mann mit seinem Vorbringen nicht: Laut dem Obersten Gerichtshof werden an die Mobilität eines Unterhaltspflichtigen strenge Anforderungen im Sinne des sogenannten Anspannungsgrundsatzes gestellt. Der Grundsatz besagt, dass unterhaltspflichtige Personen so viel Einkommen erzielen müssen, wie dies ihrer persönlichen Leistungsfähigkeit entspricht. Das gilt auch dann, wenn der Wohnsitz ins Ausland verlegt wird, dort aber eine gleichwertige Erwerbsmöglichkeit fehlt. Ausnahmen gebe es nur dann, wenn der Unterhaltspflichtige aus "berücksichtigungswürdigen Gründen" wegzieht. Solche Gründe lagen laut Höchstgericht im konkreten Fall allerdings nicht vor. Der Mann wird wohl nach Österreich zurückkehren oder den Unterhalt aus seinen Ersparnissen bestreiten müssen. (Jakob Pflügl, 13.7.2021)