Alexander Wrabetz und Bau-Projektleiter Pius Strobl im Sommer 2020 auf der Baustelle des inzwischen weitgehend fertiggestellten ORF-Newsrooms.

Foto: ORF / Roman Zach-Kiesling

Wien – Der nächste ORF-Generaldirektor wird am 10. August im Stiftungsrat bestellt – doch den Dienst als Alleingeschäftsführer tritt dieser General oder diese Generalin erst am 1. Jänner 2022 an. In den viereinhalb Monaten dazwischen liegt eine Schlüsselfrage schon für die Generalswahl davor: die neue Besetzung der wichtigsten Nachrichtenredaktion des Landes mit dem neuen ORF-Newsroom. Der amtierende General Alexander Wrabetz will die Newsroom-Führung jedenfalls noch heuer selbst besetzen.

Der Sozialdemokrat Wrabetz arbeitet sehr intensiv daran, am 10. August noch einmal verlängert zu werden. Die Mehrheit im ORF-Stiftungsrat haben – erstmals seit Jahrzehnten – ÖVP-nahe Stiftungsräte allein. Mit ORF-1-Managerin Lisa Totzauer hat am Dienstag eine erste bürgerliche Kandidatin ihre Bewerbung angekündigt. Als wahrscheinlicher Bewerber wird zudem Roland Weißmann genannt, Vizefinanzdirektor des ORF.

Newsdesk-Chef bestellt

Ebenfalls am Dienstag hat Wrabetz schon eine erste Weiche für den künftigen Newsroom gestellt, und sie dürfte ebenso im Sinne der Professionalität wie des bürgerlichen Lagers sein. Peter Fritz baut den zentralen Newsdesk im künftigen ORF-Newsroom für TV, Radio, Online und Social Media auf und leitet ihn interimistisch (rückwirkend schon seit 1. Juni laut interner Mitteilung des ORF-Generals).

Der langjährige ORF-Korrespondent und Büroleiter in Washington, Berlin und zuletzt Brüssel wurde unter Generalin Monika Lindner und Chefredakteur Werner Mück zum Außenpolitikchef Fernsehen und von deren Nachfolger Wrabetz 2007 wieder abgelöst.

Alleingeschäftsführer bis 31. Dezember 2021

Im Herbst, nach der Bestellung des ORF-Generals und wohl auch der ORF-Direktoren am 16. September, will Wrabetz die künftig multimedialen Ressortleitungen sowie die Newsroom-Führung, nach seinen Aussagen ein Team und kein alleiniger Chefredakteur, ausschreiben und nach eigenem Bekunden noch selbst besetzen. Als Alleingeschäftsführer entscheidet der ORF-Generaldirektor über solche Besetzungen.

Im Innenpolitikressort sind etwa der eher den Bürgerlichen zuneigende Hans Bürger (aus dem Fernsehen) einerseits und der den Sozialdemokraten zugerechnete Edgar Weinzettl (Radio) wahrscheinliche Bewerber (wenn Weinzettl nicht ORF-Landesdirektor in Wien wird).

Nun wird Wrabetz im Sinne des ORF gewiss nur sachlich und fachlich qualifizierteste Bewerberinnen und Bewerber auswählen. Aber die bestehenden Ressortleiter von TV wie Radio wie Online gehören natürlich jedenfalls in diese Kategorie.

Änderung schwierig

Und deshalb täte sich ein neuer ORF-General oder eine neue Generalin wohl nicht leicht, gerade von Wrabetz bestellte Führungskräfte, zudem in einer gerade erst neu gebauten, beschlossenen und eingeführten Struktur, wieder abzulösen.

Die Bestellung des ORF-Generals ab 2022 – Wrabetz oder ein/e andere/r – könnte bei Wrabetz' Auswahl eine Rolle spielen. In die Geschichtsbücher, und seien es nur die Mediengeschichtsbücher, trägt man sich mit besonders unabhängigen oder auch mit besonders entgegenkommenden Entscheidungen ein.

Viele der Personalentscheidungen von Alexander Wrabetz über die eineinhalb Jahrzehnte an der ORF-Spitze waren – neben dem Bestand des ORF und seiner Finanzierung – vom Willen (und der Aussicht) geprägt, damit seinen eigenen Führungsjob zu erhalten. Aber selbst wenn er am 10. August nicht mehr verlängert werden sollte, würde er sich mit 61 wohl die Aussicht auf einen anderen schönen Führungsjob etwa im Kulturbereich erhalten wollen.

"Ich werde das auch noch entscheiden im heurigen Jahr"

Es wird auch nach der Bestellung des nächsten ORF-Generals am 10. August und der ORF-Direktoren am 16. November 2021 noch einmal ziemlich spannend für die Zukunft des ORF und des Landes.

Im STANDARD-Interview sagte Wrabetz: "Für den Newsdesk, die Ressorts, die Sendungsteams habe ich eine klare Vorstellung. Sie werden im Herbst ausgeschrieben und entschieden. Das Newsroom-Management darüber ist eine Gruppe von drei Personen, die sich, insbesondere in der Startphase, um die Information in einem der Medien speziell kümmert. Aber das möchte ich in den nächsten Wochen noch abschließend diskutieren mit den derzeitigen Verantwortlichen – und sehen, wie man das in eine Organisationsanweisung gießt. Das wird ebenfalls, wie die Geschäftsverteilung der Direktionen, in der Bewerbung dargelegt und danach ausgeschrieben. Ich werde das auch noch entscheiden im heurigen Jahr – aber wenn jemand anderer bestellt werden sollte, werde ich mir schon vorher anhören, was er oder sie sich vorstellt." In späteren Interviews sprach Wrabetz auch von vier Führungsjobs für den Newsroom. (Harald Fidler, 14.7.2021)