Tadej Pogacar erreichte vor Jonas Vingegaard und Richard Carapaz das Ziel des 17. Abschnitts und holte sich seinen zweiten (gesamt fünften) Tagessieg bei der Tour de France.

Foto: imago images/Belga

Patrick Konrad, am Dienstag Etappensieger bei der Tour de France!

Foto: imago images/Panoramic International

Am Tag nach dem Triumph war Konrad wieder ganz im Dienst seines Mannschaftskapitäns Wilco Kelderman unterwegs, wenngleich er ihn nach seinem Kraftakt auf der 16. Etappe nicht wie erhofft unterstützen konnte.

Foto: imago images/Panoramic International

Wien – Aus gutem Grund ist der Gewinn der letzten Etappe bei der Tour de France besonders begehrt. Einerseits wegen der zigtausenden Zuseher auf den Champs-Élysées, anderseits weil die Qual danach vorüber ist, dem Genuss nichts mehr im Weg steht.

Patrick Konrads Genuss standen bald nach seinem Sieg auf der 16. Etappe der 108. Großen Schleife zunächst einige Pyrenäen-Pässe und die Aufgabe im Weg, für den aussichtsreichsten Klassementfahrer seines Teams Bora-hansgrohe, Wilco Kelderman, zu arbeiten.

Ganz hoch hinaus

Der Niederländer war jedenfalls am Mittwoch mit Ambitionen, unter die besten Drei der Gesamtwertung zu klettern, in die Königsetappe der Tour über 178,4 Kilometer von Muret zur Bergankunft am Col du Portet gestartet. Im Finale hinauf zum 2215 Meter hohen Pass in den französischen Pyrenäen mit einem 16 Kilometer langen Anstieg mit knapp neun Prozent mittlerer Steigung konnte der 30-Jährige jedoch nicht mit der Spitze mithalten. Und Konrad musste es wegen der Strapazen am Vortag schon früher gemütlicher angehen.

Dem Antritt des gesamt führenden Tourfavoriten Tadej Pogacar (Team Emirates) aus Slowenien rund acht Kilometer vor dem Ziel konnten nur der drittplatzierte Däne Jonas Vingegaard (Jumbo-Visma) und der viertplatzierte Richard Carapaz aus Ecuador (Ineos Grenadiers) folgen. Der bisherige Zweite, Rigoberto Uran (EF Education-Nippo) aus Kolumbien, musste abreißen lassen.

Pogacar zum Zweiten

Mit einem neuerlichen Antritt 250 Meter vor der Bergankunft holte sich der 22-jährige Pogacar am französischen Nationalfeiertag auch seinen zweiten Tagessieg bei der 108. Ausgabe – vor Vingegaard und Carapaz. Beide überholten Uran, der damit vom virtuellen Podest fiel. Kelderman behauptete mit Tagesrang sechs immerhin Platz sechs in der Gesamtwertung.

Tour de France™

Für Pogacars Konkurrenten im Kampf um das Gelbe bleiben nicht mehr viele Möglichkeiten. Bei der letzten Bergetappe über den Tourmalet zur Bergankunft in Luz Ardiden am Donnerstag und beim Einzelzeitfahren am Samstag könnten sie noch Attacken lancieren. Allerdings dürften die Aussichten angesichts der Dominanz des slowenischen Titelverteidigers nur noch theoretischer Natur sein. Pogacar führt 5:39 Minuten vor Vingegaard. Und Konrad fiel als Tages-90. mit nahezu einer halben Stunde Verspätung auf Pogacar von Platz 21 auf 26 zurück.

Erst die Kür, dann die Pflicht

Es ist klar, dass Patrick jetzt wieder arbeiten muss", sagte Wolfgang Konrad. Der Vater des ersten österreichischen Tour-Etappensiegers seit Georg Totschnig vor 16 Jahren, saß daheim auf dem Ergometer, als ihn der STANDARD erwischte. Der ehemalige Mittelstreckenläufer, seit 1989 Organisator des Vienna City Marathons (38. Auflage am 12. September!), weidete sich nebenbei an der Aufzeichnung der Triumphfahrt seines Sohnes.

Konrad senior hat die sportliche Karriere seines Sohnes nach Kräften gefördert, "aber nur, bis er Profi wurde. Bei Bora ist er bestens aufgehoben." Allenfalls "Manager in schwierigen Situationen" ist Wolfgang Konrad noch, aber selbst das hat nachgelassen. Vor dem Sieg hat der Sohn den Vater nur nach dem zweiten Platz am vergangenen Samstag aus Quillan angerufen.

In Massensturz verwickelt

Dabei hatte Patrick Konrad in der ersten Woche der Tour de France Schwierigkeiten genug, war er doch in den zweiten Massensturz während der ersten Etappe verwickelt gewesen. Den ersten hatte eine Zuseherin verursacht, weil sie per Plakat ihre Großeltern grüßen wollte. Auch dem zweiten großen Crash zehn Kilometer vor dem Ziel wäre der Mödlinger fast entkommen, wurde aber dann doch noch mitgerissen. "Er hat danach ausgesehen wie eine geschälte Kartoffel", sagt Wolfgang Konrad über die schweren Abschürfungen, die sein Sohn davongetragen hatte. "Außerdem hatte er Knieprobleme, weil er ein herumfliegendes Kettenblatt abbekommen hat." Die folgenden Tage waren für Patrick Konrad eine Tortur. "Der Heilungsprozess geht einfach an die Substanz."

Lohn der Pein

Dennoch habe das Sturzpech, das den Junior in dieser Saison schon öfter ereilt hatte, auch eine gute Seite gehabt. Wolfgang Konrad: "Er hatte zu viel Rückstand, um für die Spitzenfahrer eine Gefahr zu sein. Liegt er nur drei, vier Minuten zurück, reagieren die, wenn nur einmal den Hintern vom Sattel hebt." Vor seinem Etappensieg hatte Konrad mehr als eine Stunde Rückstand auf das Gelbe Trikot. Selbst für die Top 20 im Klassement stellte er keine Gefahr dar. So konnte die Flucht am Dienstag gelingen. Sich von den Fluchtgefährten abzusetzen, war das wahre Kunststück, das nach 36 Kilometern Soloritt im Pyrenäen-Städtchen Saint-Gaudens mit dem historischen Gewinn der 16. Etappe belohnt wurde.

Tour de France™

Es war der erste Sieg Konrads bei einem großen internationalen Rennen. Der österreichische Meister war allerdings längst fällig. Beim Giro d‘Italia, den er zweimal unter den besten Zehn beendet hat, war der Vater einer eineinhalbjährigen Tochter, 2020 einmal Tageszweiter gewesen. "Ich habe gewusst, ich habe die Beine, die Form und das Talent, dass ich so etwas gewinnen kann", sagte Patrick Konrad.

Genießen kann er den Triumph erst richtig am Sonntagabend, wenn die Tour in Paris finalisiert ist. Nach einem kurzen Zwischenstopp daheim in Eisenstadt geht es nach Tokio. Konrad ist olympisch sowohl im Einzelzeitfahren als auch im Straßenrennen am Start. (Sigi Lützow, Thomas Hirner, 14.7.2021)

Ergebnisse der Tour de France vom Mittwoch:
17. Etappe, Muret – Saint-Lary-Soulan/Col du Portet (178 km):

1. Tadej Pogacar (SLO) UAE Emirates 5:03:31 Std.
2. Jonas Vingegaard (DEN) Jumbo +0:03 Min.
3. Richard Carapaz (ECU) Ineos +0:04
4. David Gaudu (FRA) Groupama +1:19
5. Ben O'Connor (AUS) AG2R +1:26
6. Wilco Kelderman (NED) Bora +1:40
weiter:
90. Patrick Konrad (AUT) Bora +28:59
104. Lukas Pöstlberger (AUT) Bora +28:59
119. Marco Haller (AUT) Bahrain +31:47

Gesamtwertung:

1. Pogacar 71:26:27 Std.
2. Vingegaard +5:39 Min.
3. Carapaz +5:43
4. Rigoberto Uran (COL) EF +7:17
5. O'Connor +7:34
6. Kelderman +8:06
weiter:
26. Konrad +1:16:11 Stunden
110. Pöstlberger +3:15:17
130. Haller +3:34:42