Die alten Bunkeranlagen und das herrliche Panorama machen die Grenzkammrunde zur Besonderheit.

Foto: Steffen Arora

Die alten Anlagen laden zu Erkundungstouren ein.

Foto: Steffen Arora

Links Italien, rechts Österreich. Die Radlrunde als echte Grenzerfahrung.

Foto: Steffen Arora

Den Brenner kennen die meisten nur vom Drüberfahren, doch der wichtigste Nord-Süd-Alpenübergang hat auch für Mountainbiker einiges zu bieten. Die Grenzkammrunde ist sowohl landschaftlich als auch historisch eine lohnende Anstrengung. Es gibt sie in diversen Varianten – ausgehend von Nord- wie Südtiroler Seite. Die hier beschriebene Route für Mountainbiker startet fast direkt am Passübergang und ist kürzer als die beiden gemeinhin bekannten Touren, die in Vinaders oder Gossensaß ihren Ausgang haben. Dafür wird der knackige Uphill mit einer flowigen Singletrailabfahrt belohnt, die auch für Einsteiger geeignet ist.

Die Tour startet beim Umspannwerk kurz nach der Staatsgrenze auf italienischer Seite. Von Innsbruck über die A13 kommend nimmt man die Ausfahrt Brenner (noch auf österreichischer Seite) und durchquert den Ort. Rechter Hand, kurz nach dem Eurospin-Supermarkt, befindet sich ein Umspannwerk. Dort sind nur zwei, drei Autoabstellplätze verfügbar – die aber meistens frei sind. Sollten sie belegt sein, am besten den großen Parkplatz beim Eurospin nehmen.

Steiler Start

Anfangs führt ein sehr steiler Forstweg an der westlichen Bergseite hoch. Hier zu schieben ist kein Zeichen von Schwäche. Selbst mit dem E-Bike treibt einem der Anstieg Schweißperlen auf die Stirn. Dafür macht man schnell Höhenmeter, und das Rauschen der Brennerautobahn wird mit jedem Tritt in die Pedale leiser. Von hier oben bietet sich ein eindrucksvoller Blick auf das enge Tal, das mit Autobahn, Bundestraße und Bahntrasse völlig ausgefüllt ist.

Die neuen Strommasten entlang des Weges sind übrigens zeitgeschichtliche Zeugen. Bis zum heurigen Frühjahr waren sie kabellos, weil die Stromverbindung zwischen Nord- und Südtirol aufgrund der konfliktreichen Geschichte jahrzehntelang unterbrochen war. Seit kurzem fließt nun wieder Energie zwischen den getrennten Landesteilen.

Dem hektischen Brennerpass entfliehen

Ab den Masten wird auch das Gelände wieder etwas sanfter, heißt weniger steil. Es tut sich ein weiter Almkessel auf. Linker Hand liegt die Stein-, rechter Hand die Sattelalm. Es geht weiter in Richtung Norden – also Österreich und Sattelalm. Kurz führt der Forstweg sogar bergab, es folgt ein Weidegitter, das nach dem Passieren unbedingt wieder zu schließen ist. Und dann geht es schon wieder bergauf zum Gipfel des Sattelberges.

Der Zustand der Forststraße wird mit jedem Höhenmeter schlechter. Und zwischendrin wird mancher sein Rad wieder schieben. Das bietet Gelegenheit, das eindrucksvolle Bergpanorama zu genießen. Die gute Nachricht: Nach der Uphill-Passage zum Sattelberg ist das konditionell Gröbste überstanden, und das Genussbiken beginnt. Wobei manchen die Auffahrt sicherlich ebenfalls als Herausforderung Spaß macht.

Gipfelsieg mit Weitblick

Auf dem 2113 Meter hohen Gipfel angelangt, begrüßt ein riesiges Kreuz Wanderer wie Biker, die hier von verschiedenen Seiten kommen können. Es ist der perfekte Platz für eine Jause. Das Bankerl am Gipfel eröffnet bei guter Fernsicht einen Blick durchs Wipptal bis zur Innsbrucker Nordkette. Weit unten schlängelt sich die A13 die Passhöhe hinauf. Bei Fönwetter-Lage empfiehlt es sich, die nahegelegene Bunkeranlage auf italienischer Seite des Gipfels als Schutz zu nutzen.

Diese gewaltige Grenzschutzanlage stammt aus der konfliktreichen Zeit, als die Wunden zwischen Italien und Österreich noch frisch waren und man von Norden her die "Unrechtsgrenze" bekämpfte. Heute steht der Betonbunker leer und kann begangen werden. Doch Vorsicht, bisweilen bröckelt es gewaltig und immer wieder ragen rostige Metallstangen aus dem zerfallenen Mauerwerk. Aber gerade bei windigem Wetter oder Regen bietet die Anlage angenehmen Schutz für eine Pause.

Zeugen einer konfliktreichen Vergangenheit

Frisch gestärkt geht es dann entlang der fast flachen Militärstraße gen Südwesten. Auf gut 2000 Metern radelt man entspannt und mit einem herrlichen Blick auf die Südtiroler Berge. Immer wieder passiert man dabei verfallene Bunkeranlagen. Es lohnt sich, das Rad zwischendurch abzustellen und den Grat Richtung Norden hinaufzusteigen. Hier befindet man sich direkt an der Staatsgrenze, wie die Markierungssteine aufzeigen. Und der Blick hinunter nach Vinaders ist die paar Meter Aufstieg allemal wert.

Wer will, fährt die Militärstraße entlang, bis zu dem Punkt, wo sie nach einer scharfen Rechtskehre wieder hinab Richtung Gossensaß führt. Dort ist auch wieder ein Viehgatter. Am besten das Rad in der Kehre abstellen und zu Fuß kurz den Steig entlang des sanften Grates marschieren. Linker Hand sind mehrere tiefe Mulden oder Löcher im Gelände zu sehen. Es sind – so wird erzählt – alte Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg. Demnach haben amerikanische Bomberstaffeln auf ihrem Rückweg aus dem Norden zu den Militärbasen in Italien hier nicht verbrauchte Bomben abgeworfen. Ob das stimmt oder nicht – die Krater sind allemal eindrucksvoll. Und der Blick vom Grat aus Richtung Süden ist herrlich.

Flow und Spaß als Belohnung

Nun folgt der lustige Teil der Runde: die Singletrailabfahrt. Da wir uns auf Südtiroler Seite befinden, ist Radeln auf Steigen kein Problem. In Österreich wäre das streng verboten. Zum Traileinstieg radelt man die Militärstraße ein paar Hundert Meter zurück Richtung Norden. In der ersten langgezogenen Rechtskurve sieht man rechts, etwas unterhalb des Weges, eine alte, verfallene Hütte. Dort führt der Trail hinunter. Den Berghang entlang führt der einfache und flowige Steig, der auch Anfänger nicht überfordert, wieder zurück in Richtung Steinalm.

Die Almen hier oben bewirten keine Gäste, daher empfiehlt es sich, ausreichend Proviant mitzuführen. Wasserstellen gibt es immer wieder entlang des Aufstieges und auch einmal entlang der Militärstraße. Nach der Trailabfahrt ist man zurück, wo der erste steile Uphill endete. Man kann nun die steile Forststraße zurück zum Umspannwerk hinunterrollen. Oder man wählt als abschließenden Trail den steilen Steig, der direkt in die Ortschaft Brenner führt. Man kommt dann hinter dem Gebäude der Finanzpolizei heraus. Doch Vorsicht: Dieser Steig ist nichts für Anfänger! Er ist sehr steil und teils etwas ausgesetzt. Manche Stellen sind durchaus S3 oder S4 auf der fünfteiligen Singletrail-Skala.

Italienische Spezialitäten und alternative Anreise

Auf jeden Fall empfiehlt sich nach der Tour eine Nachbesprechung bei Bier und Pizza am Brenner. Besonders zu empfehlen sind die Gaststätten nahe dem Bahnhof. Der eignet sich auch zur An- und Abreise, wenn man nicht mit dem Auto fahren will oder kann. Regionalzüge nach Innsbruck fahren regelmäßig und transportieren auch Fahrräder. (ars, 15.7.2021)