Alles andere als grünes Licht wäre eine Überraschung gewesen – aber eine solche ist die EZB schuldiggeblieben. Wie erwartet haben die Frankfurter Währungshüter beschlossen, die Entwicklung einer digitalen Version der Gemeinschaftswährung zu starten. Zunächst sollen in einer zweijährigen Untersuchungsphase alle Aspekte eines sogenannten E-Euro ausgelotet werden. Über eine tatsächliche Einführung soll im Anschluss daran entschieden werden. Österreichs Finanzminister Gernot Blümel begrüßt die Entscheidung, der digitale Euro sei zuletzt bei vielen Treffen Thema gewesen. "Es ist gut, dass man sich diese Möglichkeit ansieht", sagte er.

Erst soll der E-Euro zwei Jahre lang ausgelotet werden. Dabei müssen noch einige Fragen zum digitalen Bargeld geklärt werden.
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Aber worum handelt es sich beim digitalen Euro eigentlich? Grundsätzlich geht es weiterhin um das gesetzliche Zahlungsmittel in der Eurozone, nur in anderer Erscheinungsform. Neben Bargeld, also Münzen und Geldscheinen, und Giralgeld, das als Guthaben oder Verbindlichkeit auf Bankkonten auftritt, erscheint der E-Euro im Gewand einer Kryptowährung. In dieser Form wird er wie auch Bitcoin in einer elektronischen Geldbörse verwahrt und soll in der Praxis wie digitales Bargeld eingesetzt werden. Allerdings soll der E-Euro herkömmliches Bargeld nicht ersetzen, sondern bloß ergänzen, wurde mehrfach seitens der EZB beteuert.

Vorteile beider Seiten

Vielmehr soll er die Vorteile beider Seiten vereinen, nämlich den Komfort von Giralgeld bei elektronischem Zahlen per Karte oder Überweisung mit der inneren Wertbeständigkeit von Münzen und Scheinen als sicherem Zentralbankgeld. Denn Guthaben auf Konten oder Spareinlagen, also Giralgeld, sind stets nur eine Forderung gegen eine Bank – geht diese pleite wie im Vorjahr etwa die burgenländische Commerzialbank, sind auch die Guthaben der Kunden betroffen. Das Geld ist dann futsch, daher wurde für solche Fälle auch ein Sicherheitsnetz in Form der Einlagensicherung eingezogen, die für Guthaben bis zu 100.000 Euro pro Kunde einsteht.

Ein anderes Thema, das viele Bürger berührt, ist die Anonymität – wie würde es damit bei einem digitalen Euro aussehen? Zahlungen mit Giralgeld sind für die beteiligten Finanzdienstleister einsehbar, die Weitergabe von Münzen und Scheinen hingegen völlig anonym. Dabei wird es bei digitalem Bargeld aber wohl Einschränkungen geben, denn Anonymität ist den Behörden bei der Bekämpfung von Kriminalität und Geldwäsche ein Dorn im Auge, da Zahlungsströme kaum nachzuvollziehen sind. Allein, wäre der E-Euro so gestaltet, dass die EZB als hoheitliche Behörde sämtliche Transaktionen der Bürger einsehen könnte, würde er wohl nur schwer deren Akzeptanz finden.

Beste aller Welten

So bequem wie Giralgeld bei Zahlungen, mit einer Sicherheit von Bargeld und teilweiser Anonymität – wäre dies nicht die beste aller Welten? Diese Überlegung treibt auch die EZB um, weshalb es wohl eine Obergrenze pro Bürger beim Besitz von digitalem Bargeld geben würde, als wahrscheinlich gelten derzeit 3.000 Euro. Andernfalls bestünde die Gefahr, den Bankensektor zu destabilisieren, würden zu viele Leute ihre Spareinlagen abziehen, also Giralgeld in sicheres Zentralbankgeld tauschen. Zumal dem Finanzsektor ohnedies Geschäftseinbußen im Zahlungsverkehr drohen.

Eine weitere Sorge der Bürger: Könnte die EZB dann den E-Euro auch mit Negativzinsen belegen, wie es Banken bei Giralgeld auch teilweise umsetzen? Theoretisch schon, allerdings bleibt auch dann immer noch echtes Bargeld als Schlupfloch vor Guthaben mit erodierenden Minuszinsen. Dies wird wohl zumindest so lange erhalten bleiben, bis der Umgang mit digitalen Zahlungen und elektronischen Geldbörsen auf dem Smartphone für alle Generationen ebenso selbstverständlich ist wie mit Münzen und Geldscheinen. Dies wird noch dauern – wenngleich die Bedenken durch die Abschaffung der 500-Euro-Banknote und die offenbar anstehende Begrenzung von Barzahlungen auf 10.000 Euro Nahrung finden. Zumindest wird erwartet, dass die EU-Kommission demnächst entsprechende Vorgaben präsentiert.

Offene Fragen

Es gilt also noch einige Fragen zu beantworten für die EZB und die vielen anderen Notenbanken, die derzeit an digitalen Ausgaben ihrer Währungen basteln. Nur wenige Stunden nachdem die Währungshüter der Eurozone grünes Licht für das Pilotprojekt E-Euro gegeben hatten, kündigte die US-Notenbank Fed voraussichtlich für September ein Arbeitspapier an, um die Vor- und Nachteile von digitalen Währungen und Zahlungssystemen abzuwägen. Für den Einsatz eines digitalen Dollar spreche, dass es zu vielen privaten Initiativen für Kryptowährungen wie Bitcoin eine sinnvolle Alternative wäre, sagte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch vor dem US-Kongress. Dann bräuchte man die privaten Initiativen wohl nicht mehr, äußerte er seine Hoffnung.

Am weitesten vorangeschritten ist die Entwicklung von digitalem Bargeld in China, wo zuletzt auch mit konkurrierenden Kryptowährungen wie Bitcoin aufgeräumt wurde. Dort wurden bereits Probeläufe mit einem digitalen Yuan in Millionenmetropolen wie Schanghai oder Shenzhen gestartet. In Peking wird die Digitalwährung allerdings mit anderen Augen betrachtet, nämlich als Instrument zur Kontrolle der Bevölkerung. Gemeinsam mit Chinas Sozialpunktesystem lässt sich so ein ebenso engmaschiges wie effizientes elektronisches Überwachungssystem implementieren. Zwar mögen derartige Visionen im demokratischen Europa als dystopisch erscheinen – das Potenzial dazu tragen digitale Währungen aber grundsätzlich in sich. (Alexander Hahn, 15.7.2021)