"Jedermann"-Vorstellung auf dem Salzburger Domplatz anno 1927. Bis zum Machtwechsel 1933 erlebten die Salzburger Festspiele ihre Glanzzeit.

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Wien – Es waren Künstler aus jüdischen Familien, die mit dem Moralstück Jedermann und seinem katholischen Erlösungsgedanken anno 1920 den Grundstein für die Salzburger Festspiele legten. Regisseur Max Reinhardt und Dichter Hugo von Hofmannsthal gelten neben vielen anderen jüdischen Intellektuellen als Stifter der nunmehr 101-jährigen Festspiele. Die Ausstellung Jedermanns Juden im Jüdischen Museum Wien zeichnet nun anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums – Corona-bedingt um ein Jahr verschoben – die von Beginn an mit Antisemitismus konfrontierte und mit der Kaperung durch die Nazis 1938 jäh eingebrochene Festspielgeschichte nach.

Reinhardt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts die zentrale europäische Theatergestalt und hat durch sein visionäres Großraumtheater den Beruf des Regisseurs erst bedeutsam gemacht. Zu seinen und Hofmannsthals Mitstreitern in Salzburg gehörten viele andere jüdische Künstler wie etwa der Bühnenbildner Oscar Strnad, der Dirigent Bruno Walter oder der Philharmoniker-Konzertmeister Arnold Rosé. Von ihnen wurde das Festival in der barocken, katholisch geprägten Landeshauptstadt aus der Taufe gehoben.

Ressentiments

Instrumentalisierung katholischer Werte wurde den Festivalpionieren damals vorgeworfen. Die Ressentiments gegenüber Jüdinnen und Juden waren (und sind) in Österreich tief verwurzelt und Anfang der 1920er-Jahre so weit an die Oberfläche gedrungen, dass Schüler des erzbischöflichen Internats Borromäum am Nachmittag der Jedermann-Premiere auf dem Residenzplatz dagegen protestierten. Reinhardt und Co wurden abschätzig als "jüdische Sommerfrischler" bezeichnet. Auch bewerteten Teile der Bevölkerung die Entscheidung des Erzbischofs, die Kollegienkirche für Das Salzburger Große Welttheater zu öffnen, als Entweihung.

Dieses diskriminierende Verhältnis zu den Protagonisten der Festspiele sowie deren fatale Demontage durch die Nazis ab 1938 ruft die sich auf mehrere Räume und 290 Quadratmeter im ersten Stockwerk erstreckende Ausstellung Jedermanns Juden in Erinnerung. Kuratiert von Marcus G. Patka und Sabine Fellner, bleibt Max Reinhardt als zentrale Figur über mehrere Kapitel der rote Faden der dichten und mit multimedialen Beiträgen zum Vertiefen einladenden Schau.

Tolle Filmdokumente

Besonders in den (historischen) Filmbeiträgen erfährt man viel Neues. Etwa über die Bedeutung Reinhardts aus amerikanischer Sicht. Wer es nicht wusste: Gregory Peck war einer von Max Reinhardts Schülern im amerikanischen Exil.

Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Salzburg-Museum, mit dem man sich Exponate aus dem Archiv der Salzburger Festspiele gerecht aufgeteilt hat. Dort ist noch bis Ende Oktober die Jubiläumsausstellung Großes Welttheater zu sehen, in der das Jüdische Museum ebenfalls einen Raum gestaltet hat (DER STANDARD berichtete).

Ausgangspunkt der Ausstellung im Jüdischen Museum Wien war für Direktorin Danielle Spera der unterspielte jüdische Anteil an der Festspielgeschichte, der sich nicht zuletzt im bescheidenen Grabmal Max Reinhardts im Westchester Hills Cemetery in New York versinnbildlicht.

Keine Willkommenssignale

Viele ins Exil getriebene jüdische Künstler erhielten nach dem Krieg auch keine Signale, in Österreich wieder willkommen zu sein. Zudem überließ man entscheidende jüdische Mäzene, etwa die Familie Hellmann, die die Festspiele großzügig sponserte und deren Mitglieder in Konzentrationslagern ermordet wurden, völlig dem Vergessen.

Über sie gibt auch der im Residenz-Verlag erschienene Katalog Auskunft. In ihm ist der Großteil der in der Schau nach Kapiteln wie "Musik", "Tanz", "Volkstrachten" oder "Katholisches Theater" angeordneten Exponate abgebildet: viele historische Szenenbilder und zeitgenössische Fotografien, Gemälde, Holzschnitte, Theaterplakate, Bühnenskizzen, Schauspielerporträts, Masken und persönliche Gegenstände Reinhardts wie sein imposanter Reisekoffer oder Alben. Viele Stücke sind Leihgaben von Michael Heltau, der den Nachlass von Reinhardts Witwe Helene Thimig verwaltet. (Margarete Affenzeller, 16.7.2021)