Kanzlerkandidat und Ministerpräsident Armin Laschet eilte in die Region.

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Die Ahr riss etliche Häuser mit.

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Auf dem Waldcampingplatz in Prüm.

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Im belgischen Verviers.

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"Wir werden die Betroffenen nicht alleinlassen. Nordrhein-Westfalen steht solidarisch zusammen." Als Armin Laschet, CDU-Chef und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, am Donnerstagmittag diese Sätze in der Feuerwache in Hagen spricht, ist er sichtlich bewegt.

Sein Bundesland und das Nachbarland Rheinland-Pfalz wurden vom Starkregen besonders stark getroffen. Durch die Unwetter stieg der Pegel der großen Flüsse Rhein, Ruhr und Mosel, kleinere Bäche und Nebenarme traten über die Ufer und bahnten sich ihren Weg durch zahlreiche Ortschaften.

Mindestens 59 Menschen starben in den Fluten, unter ihnen auch zwei Feuerwehrleute, die im Hilfseinsatz gewesen waren. In Köln, Solingen und einigen kleineren Ortschaften kamen Menschen in ihren überfluteten Kellern ums Leben.

Kein Strom, kein Empfang

Mehr als 200.000 Menschen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz waren am Donnerstag ohne Strom, da sich die Anlagen zum Schutz vor dem eindringenden Wasser automatisch abgeschaltet hatten. Durch die Ausfälle mussten in Leverkusen und Eschweiler zwei Krankenhäuser evakuiert werden. Behandlungen und Operationen wurden abgesagt, die Patienten in andere Spitäler verlegt oder vorzeitig entlassen.

In mehreren nordrhein-westfälischen Orten war zudem die Trinkwasserversorgung unterbrochen, teils fiel auch das Mobilfunknetz aus. Dass dadurch auch der Notruf nicht gewählt werden konnte, erschwerte die Suche der Einsatzkräfte nach Vermissten und Verletzten. Die Polizei richtete eine Telefon-Hotline für Hinweise auf abgängige Personen ein.

DER STANDARD

Rund 70 Menschen galten am Donnerstagabend als vermisst, dutzende weitere warteten auf Dächern oder Bäumen auf ihre Rettung. Da der Bahn- und Autoverkehr empfindlich gestört wurde, waren mehrere Landkreise schwer zu erreichen. Einige Ortschaften waren vollständig von der Außenwelt abgetrennt, Hilfskräfte evakuierten die vom Wasser eingeschlossenen Bewohner mit Booten und Spezialfahrzeugen. Im nordrhein-westfälischen Rheinbach drohte der angrenzende Damm zu bersten, die Bewohner zweier Ortsteile wurden evakuiert und in Notlagern untergebracht. Lokale Feuerwehren, das Technische Hilfswerk und Soldaten der Bundeswehr koordinierten die Rettungsmissionen.

In Rheinland-Pfalz war der kleine Ort Schuld besonders betroffen. Er wird an zwei Stellen von der Ahr, einem Nebenfluss des Rheins, durchflossen. Als diese über die Ufer trat, riss sie sechs Häuser mit, 25 weitere sind vom Einsturz bedroht. Der Großteil der Vermissten in der Region entfällt auf Schuld, rund 50 Menschen harrten dort zudem auf Hausdächern aus. Mit Hubschraubern wurde versucht, sie aufzuspüren und zu bergen.

Planänderung bei Laschet

In Nordrhein-Westfalen war hingegen die Stadt Hagen eines der Zentren der Zerstörung. Das Wasser riss Straßen und Gehwege auf und begrub Autos unter sich, mehrere Brücken wurden weggespült. Die Bundeswehr rückte an, um mit schwerem Gerät bei den Aufräumarbeiten zu helfen. Damit wirbelte das Unwetter auch Laschets Pläne durcheinander. Eigentlich war er auf dem Weg ins bayerische Kloster Seeon, zur Sommerklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag. Dort wollte Laschet über mögliche Steuersenkungen nach der Bundestagswahl am 26. September diskutieren. Doch als er von den katastrophalen Folgen des Regens erfuhr, machte er in Baden-Württemberg kehrt und fuhr zurück.

"Jeder Ministerpräsident, der sein Amt ernst nimmt, ist in einer solchen Lange vor Ort bei den Menschen", sagte er. Er fuhr auch nach Altena ins Krisengebiet, "ganz bewusst ohne Presse", wie er betonte, denn dort seien viele Menschen, die "haben alles, was sie besitzen, verloren". Doch später veröffentlichte die Staatskanzlei Fotos von Laschet in Gummistiefeln in Altena.

Da konnte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder in Seeon nur noch erklären: "Wir fühlen sehr mit." Und alle technischen Hilfsmittel anbieten, die benötigt würden. Die Diskussionen über mögliche Steuersenkungen würde man mit Laschet nachholen. "Ich bin erschüttert über die Katastrophe, die so viele Menschen in den Hochwassergebieten durchleiden müssen.

Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten und Vermissten. Den vielen unermüdlichen Helfern und Einsatzkräften danke ich von Herzen", ließ Kanzlerin Angela Merkel über ihren Regierungssprecher Steffen Seibert erklären. Merkel war am Donnerstag zum Antritts- und gleichzeitig wohl auch schon zum Abschiedsbesuch bei US-Präsident Joe Biden in Washington.

Benelux-Region betroffen

Neben Nordrhein-Westfalen ist auch Rheinland-Pfalz schwer betroffen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte: "Es ist eine Katastrophe. Ich bange mit den Menschen vor Ort." Der Landtag von Rheinland-Pfalz legte am Donnerstag eine Schweigeminute ein.

Doch nicht nur der Westen Deutschlands, sondern auch die angrenzenden Regionen der Nachbarländer Belgien und Niederlande waren von den Wetterextremen betroffen. Im Osten Belgiens starben mindestens neun Menschen in den durch den Starkregen verursachten Fluten. Das Stadtzentrum von Lüttich wurde evakuiert, die Einwohner dazu aufgerufen, sich an höhergelegene Orte oder notfalls in höhere Stockwerke zu begeben. Der Pegel der Maas, die die Stadt durchfließt, habe bereits besorgniserregende Höhen erreicht.

Auch in der niederländischen Provinz Limburg stieg das Wasser so hoch, dass mehrere Tausend Menschen evakuiert werden mussten. Es kam ebenfalls zu Stromausfällen und Sperren im Fernverkehr, die Armee war im Einsatz. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach ihr Mitgefühl aus und sicherte Deutschland und den Beneluxstaaten Soforthilfe zu. (red, Birgit Baumann, 15.7.2021)