Nicht nur im Parlament setzt der Gesetzgeber auf Renovierung. Sanieren statt abreißen ist auch das Prinzip der neuen Restrukturierungsordnung.

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Bei der Sanierung bestandsgefährdeter Unternehmen ist Zeit sprichwörtlich Geld – je früher sinnvolle Maßnahmen gesetzt werden, desto größer ist in der Regel der Gestaltungsspielraum für die Sanierung des Unternehmens und desto besser ist das Ergebnis für die Gläubiger. Eine außergerichtliche Sanierung erfordert Einvernehmen mit allen beteiligten Gläubigern.

Bisher gab es als Alternative de facto nur die Sanierung in einem gerichtlichen Insolvenzverfahren. Nunmehr kommt ein nichtöffentliches Restrukturierungsverfahren hinzu, das – vereinfacht gesagt – bereits vor der Insolvenz Forderungskürzungen auch gegen den Willen einzelner Gläubiger ermöglicht, wenn die Gläubigermehrheit einem sogenannten Restrukturierungsplan zustimmt. Das antragstellende Unternehmen entscheidet selbst (nach sachlichen Kriterien), welche Gläubiger einbezogen werden. Das entsprechende Gesetz tritt diese Woche in Kraft.

Umsetzung der EU-Richtlinie von 2019

Das neue Verfahren basiert auf einer EU-Richtlinie von 2019 über die Einführung eines EU-weit vereinheitlichten "präventiven Restrukturierungsrahmens". Bestandfähige Unternehmen sollten möglichst erhalten werden. Von den einheitlichen Rahmenbedingungen würden naturgemäß insbesondere grenzüberschreitend tätige Unternehmen und Unternehmensgruppen profitieren.

Gerade Letztere stehen jedoch vor einem Problem: Anders als im Insolvenzverfahren – für das seit 2015 eine EU-Verordnung (die "EuInsVO") gilt – ist die Anerkennung des Restrukturierungsverfahrens in anderen Mitgliedsstaaten in der Richtlinie nicht geregelt. Damit fehlt es an Rechtssicherheit, ob beispielsweise eine in Österreich gerichtlich bestätigte Forderungskürzung auch von Gläubigern in anderen Mitgliedsstaaten anzuerkennen ist – und umgekehrt.

Der österreichische Gesetzgeber war bemüht, hier eine Lösung anzubieten: Der Schuldner kann sich freiwillig für eine öffentliche Bekanntmachung des Verfahrens entscheiden – dann unterliegt auch das Restrukturierungsverfahren der EuInsVO und wird innerhalb der EU anerkannt.

Innovative Niederlande

Darüber hinaus wurde die Richtlinie in den einzelnen Mitgliedsstaaten durchaus unterschiedlich umgesetzt. Eines fällt aus österreichischer Sicht besonders auf: Die in der Praxis häufig gewünschte Möglichkeit zur Durchsetzung eines Beitrags der Anteilseigner fehlt, während andere Mitgliedsstaaten – z. B. Deutschland oder auch das innovative "Dutch Scheme" in den Niederlanden – sehr wohl entsprechende Instrumente, wie z. B. einen Debt-Equity-Swap, vorsehen. Im österreichischen Verfahren sind die (Banken-)Gläubiger hingegen weiterhin auf die aktive Mitwirkung der Anteilseigner angewiesen.

Ein anderer Aspekt der österreichischen Umsetzung ist positiv hervorzuheben: Bezieht der Schuldner nur Finanzgläubiger ein, sieht das Gesetz ein "vereinfachtes Verfahren" vor. Liegt die notwendige Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger bereits bei Antragstellung vor, ist keine Abstimmung in einer Gerichtsverhandlung notwendig.

Keine Störmanöver mehr

Dieser Verfahrenstyp stärkt auch in außergerichtlichen Restrukturierungsverhandlungen die Verhandlungsposition des Unternehmens: Einzelne "Akkordstörer" können ein tragfähiges Restrukturierungskonzept nun nicht mehr ohne Grund torpedieren und gegen die Interessen der Mehrheit der Gläubiger agieren – schließlich kann deren Zustimmung im vereinfachten Verfahren vom Gericht ersetzt werden.

Es bleibt abzuwarten, wie das neue Restrukturierungsverfahren in der Praxis angenommen wird. Für sanierungswillige Unternehmen bietet sich dadurch eine zusätzliche Möglichkeit. Nichtsdestotrotz muss das Verfahren unternehmensseitig jedoch sorgfältig vorbereitet und – besonders in grenzüberschreitenden Konstellationen – wohl auch bereits mit den wesentlichen Gläubigern (vor-)abgestimmt sein. (Clemens Jaufer, Alexander Painsi, 16.7.2021)