Infrastrukturministerin Leonore Gewessler (Grüne).

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Wien – Der Verkehr gilt in Österreich seit Jahrzehnten als Problemkind. Der Sektor ist für rund ein Drittel der Emissionen im Land verantwortlich; in keinem anderen Bereich ist der Ausstoß seit 1990 stärker gestiegen. Das soll sich künftig ändern, wie aus dem am Freitag präsentierten "Mobilitätsmasterplan 2030" hervorgeht. Das rund 60 Seiten starke Papier mit Kapiteln wie "Vermeiden ohne Verzicht" oder "Verlagern, dort wo’s geht" soll Österreich einen Schritt näher in Richtung Klimaneutralität 2040 bringen.

In dem Plan hat sich die zuständige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) teils höhere Ziele gesteckt, als sie vonseiten der EU kommuniziert werden. Demnach sollen in Österreich spätestens ab 2030 nur mehr emissionsfreie Autos neu zugelassen werden. Die EU-Kommission hatte in ihrem diese Woche präsentierten Klimaplan 2035 als Datum genannt. "Mit einer konsequenten weiteren Reduktion der CO2-Flottengrenzwerte auf europäischer Ebene ist ein Vorziehen möglich", heißt im Masterplan. Ab 2032 sollen auch alle neu zugelassenen Busse emissionsfrei sein.

"Zukunft steht unter Strom"

"Die Zukunft der Autos steht unter Strom", sagte Gewessler bei der Präsentation am Freitag. Der Klimaplan der Kommission sei ein "gutes und wichtiges Ziel". Österreich habe im Bereich der E-Mobilität bereits eine starke Ausgangsposition, weswegen man schneller voranschreiten wolle, rechtfertigte sie das frühere Datum.

Während sich also im Bereich der Fuhrparks einiges ändern dürfte, soll an den Tempolimits nicht geschraubt werden. Hier sind keine Neuregelungen geplant. Es gehe darum, bestehende Vorgaben einzuhalten, sagte Gewessler – "das führt schon zu einer Reduktion".

1.000 E-Ladestationen bis 2030

Vonseiten der Asfinag sieht man sich für den Umstieg in Richtung E-Mobilität jedenfalls gut gewappnet. "Wir werden die Infrastruktur bereitstellen", betonte deren Vorstand Josef Fiala. Ziel seien 1000 Ladepunkte für E-Autos entlang Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen bis 2030. Derzeit gibt es 156 solche Ladepunkte.

Damit sei man angesichts des steigenden Bedarfs "auf der sicheren Seite", sagte Fiala. Auch Park-and-Ride-Plätze sollen vermehrt mit E-Ladestationen ausgestattet werden. Bis Jahresende sollen Autofahrer alle 65 Kilometer Lademöglichkeiten vorfinden.

Der Umstieg auf E-Autos ist für Gewessler eher Plan B. Der motorisierte Individualverkehr soll dem großflächigen Ausbau von geteilter und Mikro-Mobilität weichen. Der Anteil des öffentlichen Verkehrs im Modal Split soll bis 2040 von aktuell 27 auf 40 Prozent steigen.

Dabei spielt der Ausbau der Bahninfrastruktur eine große Rolle, wie es am Freitag hieß. Bis 2030 sollen 3,4 Milliarden Euro in die Anschaffung und Modernisierung der Züge investiert werden.

Mit einem guten Bahnnetz könne man Kurzstreckenflüge einfach ersetzen, sagte ÖBB-Chef Andreas Matthä. "Alles, was du in vier Stunden mit der Bahn erreichen kannst, musst du nicht fliegen." Unter anderem soll daher das Nachtzugnetz in Europa deutlich ausgebaut werden. Geplant sind beispielsweise Züge von Wien nach Paris (ab Dezember 2021) oder von Zürich nach Barcelona (ab 2025).

Kostenwahrheit schaffen

Damit die Zugfahrt gegenüber einer Flugreise nicht teurer bleibt, plädiert Matthä für eine CO2-Bepreisung für alle Verkehrsträger, um Kostenwahrheit zu schaffen. Nicht nur die Personenbeförderung soll ökologisiert werden: Der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene soll auf 40 Prozent zunehmen. Dafür sei laut Plan eine europaweite Lösung notwendig.

Insgesamt solle sich die Mobilität mehr in Richtung Zu-Fuß-Gehen und Radfahren bewegen, sagte Gewessler: "Das ist gut für die Gesundheit und gut für das Klima." Der Anteil der Wege, die aus eigener Kraft zurückgelegt werden, soll bis 2040 von heute 23 auf 35 Prozent steigen. Geplant ist eine Verdoppelung des Radverkehrsanteils auf 13 Prozent der Wege bis 2030. Rund 40 Prozent der Pkw-Fahrten seien kürzer als fünf Kilometer, heißt es in dem Bericht – "und somit in Raddistanz".

Wie geht es jetzt weiter? Der Plan ist in erster Linie ein Richtungsweiser und hat keine bindende Kraft. Das Dokument sei "Karte und Kompass", sagte Gewessler. Aus diesem würde sich eine lange To-do-Liste, für die nächsten Wochen, Monate und Jahre ergeben. "Wir haben jetzt viel Arbeit vor uns, das alles zu konkretisieren." Welche Gesamtinvestitionen für die Mobilitätswende notwendig sein werden, wurde am Freitag nicht genannt.

Ganz ohne neue Gesetze wird es jedenfalls nicht gehen. Im Bereich der aktiven Mobilität wird es laut Gewessler bessere Regelungen in der Straßenverkehrsordnung brauchen. Auch darüber hinaus soll – "wo notwendig" – gesetzlich nachgebessert werden. (Nora Laufer, 16.7.2021)