Der Wiener Club Fluc bei der Wiedereröffnung Anfang Juli.

Foto: Christian Fischer

Wer wann welche Freiheiten während der Corona-Pandemie zurückerlangen wird, war lange völlig unklar. Mehrmals hat sich die Ansicht der Bundesregierung über diese Frage in den vergangenen Monaten gewandelt. Lange Zeit wurde etwa ausgeschlossen, dass bestimmte Einschränkungen für Geimpfte aufgehoben werden, während sie für andere weiter bestehen bleiben – wiewohl Juristinnen und Juristen bereits früh darauf hingewiesen haben, dass Personen aus grundrechtlicher Sicht nur dann individuellen Beschränkungen unterworfen werden können, wenn sie aus epidemiologischer Sicht eine Gefahr für andere darstellen.

Das Ergebnis war schließlich die rechtliche Gleichstellung von Geimpften, Genesenen und Getesteten – die Basis der Drei-G-Taktik, die den Kern der aktuellen Öffnungsstrategie bildet. Dieses Schema wird nun in Bezug auf die Nachtgastronomie aufgebrochen. Zutritt erhält ab 22. Juli nur mehr, wer geimpft oder getestet ist.

Verträgt sich das überhaupt mit der rechtlichen Gleichstellung der drei Gruppen?

Heikel, aber möglich

Es ist eine heikle Angelegenheit. Grundsätzlich ist es aber trotz Gleichstellung möglich, zwischen den einzelnen Gruppen zu differenzieren, meinen Verfassungsjuristen. Mit einem großen Aber: Die Unterscheidung muss medizinisch gut begründet sein. Ausnahmen von dieser Gleichstellung können nur dann gemacht werden, wenn das aus epidemiologischen Gründen "unbedingt erforderlich" ist, heißt es im Covid-Maßnahmengesetz. Ursprünglich wollte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) statt einer Zwei-G-Variante sogar eine Ein-G-Variante durchsetzen. Der Wunsch des Ministers: Im Club tanzen dürfen sollte nur mehr, wer geimpft ist. Auch das wäre nach Ansicht von Experten prinzipiell möglich. "Wenn man sagen kann: Von Geimpften geht ein geringeres Risiko aus als von Personen, die nur getestet sind oder ‚nur‘ die Krankheit hinter sich haben, kann man diese Unterscheidung treffen", sagt Verfassungsrechtler Peter Bußjäger. Das sieht auch Medizinjurist Karl Stöger so: "Wenn es medizinisch wirklich durchgängig begründet wird, dürfte das gehen."

Doch die neuen Regeln wirken auf manch Betroffenen irritierend. Denn offenbar ist das Gesundheitsministerium nun der Ansicht, dass von Getesteten – zumindest von PCR-Getesteten – ein geringeres Risiko ausgeht als von Genesenen. Diese Ansicht spiegle sich im Maßnahmengesetz allerdings "nicht unbedingt wieder", sagt Bußjäger. Auch Stöger erkennt hier ein gewisses "Spannungsverhältnis". Umso wichtiger sei daher die medizinische Begründung. Dann sei die Regelung wohl zulässig, meinen beide Experten.

Eine Frage des Risikos

Auf Anfrage des STANDARD hinsichtlich der medizinischen Begründung schreibt das Ministerium in einem Statement: "Die Impfung bewirkt Schutz vor Infektion als auch nachweislich eine Verringerung der Transmissionsrate im Falle einer Infektion. Hingegen weisen Genesene für einen gewissen Zeitraum nach Infektion zwar ein niedrigeres Re-Infektionsrisiko auf, jedoch erlaubt die unergiebige Studienlage über Genesene kaum eine Aussage über die Transmissionswahrscheinlichkeit".

PCR-Tests könnten "bereits sehr geringe Mengen an Virus" nachweisen, und damit sei die "Wahrscheinlichkeit verringert", dass eine Person innerhalb der Test-Gültigkeitsdauer infektiös werde. Die PCR-Tests dürfen weiterhin 72 Stunden alt sein.

In den Club darf übrigens auch, wer genesen und einmal geimpft ist, weil das als Vollimmunisierung anerkannt ist. Zwar gibt es das entsprechende offizielle Dokument dazu noch nicht, aber man könne mit den jeweiligen Einzelnachweisen Zutritt erhalten, heißt es aus dem Ministerium. Ab 15. August gilt dann für alle anderen die Erstimpfung nicht mehr als ausreichender Nachweis für den grünen Pass. In manchen Clubs gelten aber ohnehin schon länger strengere Regeln. Als Nachtgastronomie werden laut der aktuellen Verordnung solche Lokale angesehen, bei denen es zu "einer vermehrten Durchmischung und Interaktion der Kunden" komme, wie "insbesondere Diskotheken, Clubs und Tanzlokale."

Mehr PCR-Tests

Nicht zufällig gerät nun auch das Vorhaben, niederschwellige PCR-Tests auch außerhalb Wiens flächendeckend anzubieten, ins Rollen. Die breite Umsetzung wird sich allerdings trotzdem nicht rechtzeitig bis zum Start der neuen Regelung am 22. Juli ausgehen, sondern noch einige Wochen dauern. Es kommt ganz darauf an, wie schnell die einzelnen Bundesländer reagieren. Das könnte in Bezug auf die Nacht-Gastro-Regelung unter Umständen zum Problem werden, auch wenn die Regelung in der Hinsicht prinzipiell "vermutlich zulässig" sei, meint Bußjäger. Und zwar dann, wenn Personen auf einen PCR-Test angewiesen sind, diesen aber nicht oder nur unter sehr erschwerten Bedingungen bekommen können.

Ob eine Verringerung auf zwei oder ein G künftig auch andere Bereiche abseits von Clubs und ausgenommen die Grundversorgung betreffen könnte, wollte man im Gesundheitsministerium weder bejahen noch ausschließen. (Vanessa Gaigg, 19.7.2021)