Die Engländer haben ihn bei der Fußball-EM unangenehm überrascht: Otto Waalkes.

Fischer

Der deutsche Komiker Otto Waalkes ist der bekannteste Humorist des deutschen Sprachraums. Mit seinen Fernsehshows, Kinofilmen, Jodlern und Sprüchen ("Einen hab' ich noch!") prägte er Generationen. Neben seinem aktuellen Kinofilm Catweazle und der Titelrolle eines zeitreisenden britischen Zauberers aus einer alten BBC-Kinderserie der frühen 1970er-Jahre bereitet er gerade für 2022 eine umfangreiche Tournee als Rockmusiker und Spaßgigant vor.

Waalkes: Test, Test, Band läuft: Hollarehiti!

STANDARD: Die erste Frage betrifft Ihre berühmte Comicfigur, den Ottifanten. Unsere Bundesregierung hat ja den Babyelefanten als Mindestabstand ausgegeben …

Waalkes: Aber sind das nicht mehr als ein Meter 50? Jedenfalls mit ausgestrecktem Rüssel. Ich hab einen Ottifanten für mein Museum in Emden gezeichnet, mit soooo einem Rüssel, das sind glatt zwei Meter.

STANDARD: Halten Sie es für eine kluge politische Entscheidung, wenn man ein Schmusetier als Maß für Social Distancing nimmt?

Waalkes: Na ja, bisher hat man Elefanten für ihr Gedächtnis bewundert – vielleicht erinnert sich die Zielgruppe bei deren Anblick nun an den Mindestabstand und nimmt sich das zu Herzen.

STANDARD: Apropos Mindestabstand. Sie kommen vom Kontaktsport her, Liveauftritte, Publikum.

Waalkes: Das war für mich schon ein Problem im letzten Jahr, dass ich die Nähe zu den Fans plötzlich nicht mehr hatte, das hat mich traurig gemacht. In Hamburg gibt es noch diese Litfaßsäulen, jetzt war alles heruntergerissen, statt der Plakate nur der karge Zement, und drüber stand "Kultur in Hamburg". Da hab ich dann einen Ottifanten druntergemalt, mit einer Träne. Das Bild wurde überall gedruckt.

STANDARD: Wie verbringt man als Springinkerl im Lockdown seine Zeit? Läuft man sich einen Wolf beim Spazierengehen?

Waalkes: Ich spiele Tennis, steige Treppen, fahre mit dem Fahrrad oder auf Rollschuhen und mache Ostfriesen-Yoga: hinsetzen, durchatmen und wieder aufstehen. Ich muss ja fit sein, jeder Bühnenauftritt ist ein kleiner Marathonlauf. Auch wenn die Tourneen um ein Jahr verschoben wurden. Im Frühjahr 2022 soll es endlich wieder losgehen, so gut vorbereitet war ich noch nie: Für Österreich habe ich eigens urarge Parodien einstudiert. Im Herbst wird es hoffentlich weitergehen.

STANDARD: Österreich ist ja bezüglich der aktuellen Heimkehrer-Cluster dankenswerterweise halbwegs früh bei der Fußball-EM ausgeschieden.

Waalkes: Genau wie die Deutschen. Nur die Engländer haben mich unangenehm überrascht: der Rassismus einiger Fans – schlechte Verlierer.

STANDARD: Rassismus und England, das ist nicht verwunderlich, immerhin haben sie ein Klassensystem. Wie wir von Karl Marx wissen, solange die Klassenfrage nicht geklärt ist …

Waalkes: Genau, das wissen wir. Marx hat auch gesagt: "Kein Mensch bekämpft die Freiheit, er bekämpft höchstens die Freiheit der anderen." Aber wo endet die Meinungsfreiheit?

STANDARD: Die Leute waren immer gleich schlecht, nur ist es jetzt besser dokumentiert.

Waalkes: Stimmt, aber muss man diesen Leuten ein Forum anbieten?

STANDARD: Reden wir über Komik und Musik. In Österreich habe ich den Eindruck, dass viele Komiker verhinderte Rockmusiker sind.

Waalkes: Sind sie.

STANDARD: Ist das bei Ihnen auch so?

Waalkes: Ja, ich bin aber kein verhinderter, sondern ein begeisterter Rockmusiker: Ich bin sogar mit meiner Band beim internationalen Metal-Großevent im deutschen Wacken aufgetreten. Ich dachte erst, wir wären hier eher fehl am Platz, andererseits war ich neugierig, wie man mich empfangen würde. Ich war gerade 70 geworden, und wenn 90.000 eingefleischte Hardrocker dich mit "Otto"-Sprechchören begrüßen und dann noch "Happy Birthday" für dich singen … das ist dann einer dieser Momente, wo du dir sagst: Vielleicht habe ich doch nicht alles falsch gemacht.

STANDARD: Sie haben klein angefangen. Daheim in der Kirche in Emden.

Waalkes: Richtig, mit sechs Jahren in der Kirche. Da hab ich ein kleines Gedicht aufgesagt: Der kleine Held (rezitiert: "Weißt du, Mutti, was ich möchte, wenn ich einmal größer bin, Afrika möcht ich bereisen…"). Das war mein erstes Gedicht. Und dann: Lacher in der Kirche und Applaus. Die Pastoren waren entsetzt.

STANDARD: Die Anfänge in der Kirche, das ist eigentlich eine klassische afroamerikanische Showkarriere.

Waalkes: Absolut, ich hätte anfangen können als der friesische Harry Belafonte.

STANDARD: Wie sind Sie auf den aktuellen "Catweazle"-Stoff gekommen? Man musste ja Otto reduzieren für die Rolle.

Waalkes: Ich möchte immer Otto sein, schon weil ich nichts anderes sein kann. Die Balance zu Catweazle zu halten, war das Schwierigste. Und die Rechtslage! Die Engländer waren zunächst misstrauisch: deutsche Komik? The Queen was not amused. Ihre Genehmigung bekamen wir dann trotzdem.

STANDARD: Wenn man das real nehmen würde bei einem Zauberer, der 1000 Jahre durch die Zeit vom Mittelalter ins Heute reist: Bei einem Zeitsprung würde der Mensch an Überlastungstrauma sterben.

Waalkes: Ist das nachgewiesen? Durch Menschenversuche? Wir haben uns gefragt: Was würde einem imponieren, der aus dem Mittelalter kommt? Die Kanalisation oder was? Gegen die Pest können wir auch nix machen. Aber wenn ich mir wünschen könnte, mit dem Zauberstab in der Zeit zurück zu reisen, mir würden fünf Minuten reichen. Dann hätte ich Zeit, mir eine bessere Antwort ausdenken.

STANDARD: Der Film ist bewusst als Kinderfilm angelegt.

Waalkes: Als Familienfilm – aber warten Sie ab, wenn der Director’s Cut kommt.

STANDARD: Es ist sehr viel aus korrekt-gedeuteten Gründen draußen, aber das Mondgesicht als Name für ein Kind ist drinnen. Bodyshaming und so.

Waalkes: Zum Glück konnte ich den Betroffenen direkt fragen. Und Julius Weckauf hat es als Ehrentitel genommen: "Ja", sagte er, "das ist doch kein Problem!"

STANDARD: Denken Sie das heute mit Political Correctness beim Entwickeln eines Drehbuchs etwa mit? Es gibt ja mittlerweile so eine Schere …

Waalkes: Die hat es immer schon gegeben, denken Sie an religiöse Empfindlichkeiten. Das ging schon los vor 40 Jahren, das Wort zum Sonntag: "Als ich neulich in meiner Musikbox blätterte …" Da wurde ich vom Sender gefragt: "Wollen Sie die schwarze Jacke nicht lieber ablegen, um nicht das religiöse Gefühl anderer zu verletzen?" Die schwarze Jacke blieb an. Jetzt mache ich gerade eine Weihnachtsshow für das Fernsehen – und wieder: "Haben Sie Angst, religiöse Gefühle zu verletzen?" Meine Antwort ist: nicht genug!

STANDARD: Die Wiener Linien haben jetzt das Wort "Schwarzfahren" abgeschafft.

Waalkes: Das ist eine rätselhafte Entwicklung, der Schwarzwald, die Schwarzwurzel, das Schwarzgeld … Ich habe hier in Österreich Bedenken, mir einen kleinen Schwarzen zu bestellen. Wenn das so weiter geht, dann sehe ich für die Zukunft wirklich … also … nichts Weißes. (Christian Schachinger, 18.7.2021)